Mauritius Exkursion 2022

Yes We Kann! - In Mauritius angekommen liest man vielerorts diesen Slogan auf großen Werbetafeln, die auf brachliegenden Zuckerrohr-Feldern stehen. Durch die Verwendung des kreolischen Wortes für Zucker - Kann - wird versucht, den Wahlkampf-Slogan des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, der auf einen Kampfruf der US-amerikanischen Landarbeitergewerkschaft in den 1970er Jahren zurückgeht, auf Mauritius zu übertragen. Yes We Kann! bringt die Potenziale der zuckerrohrverarbeitenden Industrie für den Wirtschaftsstandort Mauritius zum Ausdruck. Auf anderen Reklametafeln werden luxuriöse Wohnanlagen und hochmoderne Büroflächen angepriesen. Derartige Vermarktungsstrategien verfolgen das Ziel, ausländische Investor:innen anzulocken.

 

Wie die Transformation ehemaliger Zuckerrohr-Plantagen mit globalen Prozessen, politischen Strategien und lokalen Machtgefügen zusammenhängt, versuchten Geographiestudierende der JGU Mainz im Rahmen der Lehrveranstaltung zu verstehen. Während der zweiwöchigen Exkursion verdeutlichte der Austausch mit Vertreter:innen von NGOs, Unternehmer:innen, Bürger:innen und touristischen Akteuren, welche gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen mit der ökonomischen Diversifizierung auf der Insel einhergehen.

An unterschiedlichen Standorten wurden die drei Themenkomplexe (1) koloniales Erbe und Touristifizierung, (2) gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt sowie (3) ökonomische Diversifizierung und Nachhaltigkeit diskutiert. Die Auseinandersetzung mit physisch-geographischen Kontexten wie Geologie, Geomorphologie und Ökologie rundeten das Exkursionsprogramm ab. Mit Blick auf unterschiedliche Fragestellungen bereiteten Kleingruppen bestimmte Themen und Standorte vor, die mithilfe von Karten- und Anschauungsmaterial vor Ort vertieft wurden. Die Beschäftigung mit den beobachteten Phänomenen erfolgte aus einer relationalen kritischen Perspektive, um die Komplexität der Verflechtungen zwischen naturräumlichen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Dynamiken umfassend nachvollziehen zu können. Wichtige inhaltliche Grundlagen wurden im vorbereitenden wöchentlichen Regionalseminar im Sommersemester 2022 gelegt. Das Seminar und der Geländeaufenthalt vom 26.09.2022 bis 09.10.2022 wurden von Dr. Elisabeth Sommerlad und Dr. Marie Karner organisiert und geleitet.

 

Koloniales Erbe und Touristifizierung

 Die Informationen im Museum L’Aventure du Sucre lieferten umfassende Einblicke, wie die Geschichte des Zuckeranbaus und die Verarbeitung des Rohstoffs für in- und ausländische Besucher:innen aufbereitet und präsentiert wird. Bei der anschließenden Expertendiskussion im nahegelegenen Herrenhaus Château de Labourdonnais stand der dekadente Lebensstil der ehemaligen Zuckerbarone und ihrer Angehörigen im Fokus. Zu den Inszenierungsstrategien der Betreiber:innen zählen eine Blindverkostung von Säften, Marmeladen und kandierten Früchten. Durch die Ansprache aller Sinne wird versucht, das Château als attraktiven Ort erlebbar zu machen. Dieser Prozess, den man als Touristifizierung kolonialen Erbes bezeichnet, zielt darauf ab, das Herrenhaus als attraktiven Erlebnisort zu bewerben und die Vermarktung eigener Produkte voranzutreiben.

 

Eine ähnliche Strategie verfolgen die Betreiber der Bois Chéri Tea Factory, in der wir Einblicke in einen weiteren historisch gewachsenen Wirtschaftszweig erhielten. Die Teefabrik mit den angrenzenden Anbaufeldern wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Hochland von Mauritius gegründet. Die besonderen klimatischen Bedingungen bieten dort optimale Vorraussetzungen für den Teeanbau. Produziert werden Schwarztee, Grüntee und weißer Tee für den lokalen und globalen Markt. Die Anlage und die Infrastruktur ist auf den Massentourismus ausgerichtet, sodass sowohl Hotelgäste als auch zahlreiche Tagestourist:innen von Kreuzfahrtschiffen Einblicke in die Teeproduktion und -verarbeitung erhalten können.

 

Auch auf dem Areal der Domaine de Bel Ombre im Süden der Insel setzten wir uns mit Touristifizierungsprozessen auseinander. Die ehemalige Zuckerrohrplantage wird hier als touristische Destination und für den Bau von hochpreisigen Villen genutzt, die hauptsächlich von ausländischen Investor:innen in der Regel als Feriendomizil erworben werden. Besonders einprägsam zeigt sich die Inwertsetzung kolonialer Infrastrukturen innerhalb der Resortanlage Heritage. In Kleingruppen beschäftigten wir uns kritisch mit der touristischen Inszenierung von Bel Ombre und thematisierten positive und negative Auswirkungen auf die umliegenden Orte und die dort lebenden Bevölkerungsgruppen.

 

Nicht nur bei ehemaligen Châteaus und Hotelanlagen, sondern auch an zahlreichen weiteren Orten wird das koloniale Erbe touristisch inszeniert. Im Botanischen Garten, benannt nach dem ersten Premierminister von Mauritius – Sir Seewoosagur Ramgoolam – thematisierten wir die Intention der französischen Kolonialherren des 18. Jahrhunderts. Um die Insel bestmöglich landwirtschaftlich nutzbar zu machen, diente der Garten als Laboratorium. Als Gewürzgarten von dem damaligen Gouverneur Bertrand François Mahé de Labourdonnais angelegt, baute der Botaniker Pierre Poivre ihn zur heutigen Größe aus. Heute findet man über 80 Pflanzenarten auf dem Gelände sowie einige Statuen und ein Château, das für Staatsempfänge genutzt wird. Die Studierenden diskutierten vor Ort unterschiedlichste Funktionen die botanische Gärten gegenwärtig innehaben. Sie dienen nicht nur der Erholung und Bildung, sondern auch als Kulisse zur medialen Selbstdarstellung. Kurz vor Sonnenuntergang posieren zahlreiche durchgestylte Besucher:innen am bekannten Seerosenteich, die sich für Instagram-Likes in Szene setzen. Vergleichbare Aufnahmen machen Tourist:innen am Cap Malheureux vor der Kirche Notre-Dame Auxiliatrice, deren rotes Dach von zahlreichen Reiseführern und Postkarten bekannt ist. Diese Beobachtung nutzen wir als Grundlage, um das von John Urry begründete Konzept des Tourist Gaze (1990, 2002 und 2011 mit Jonas Larsen) vor Ort anzuwenden.

 

Die traditionsreiche Pferderennbahn Champs de Mars ist nicht nur ein Touristenmagnet, sondern hat besonders für die diverse Bevölkerung von Mauritius eine integrierende Funktion. Errichtet in der britischen Kolonialzeit gilt sie als älteste Rennbahn der südlichen Hemisphäre, wo jährlich der Unabhängigkeitstag gefeiert wird. Während des Besuchs eines Pferderennens konnten wir die aktuelle gesellschaftspolitische Bedeutung von „Champ de Mars“ gut nachvollziehen. Das Konzept des Action Settings () bildete den Ausgangspunkt unserer Beobachtungen zur räumlichen und zeitlichen Organisation des Ortes. Es wurde deutlich, dass gesellschaftliche Machtverhältnisse und Ungleichheiten durch klare räumliche Trennungen reproduziert werden. Während eine überschaubare Anzahl an elitären Gruppen in überdachten Logen Platz nehmen, beobachtet die Masse das Rennen vom Inneren der Rennbahn, wo auf der großen Freifläche Essensstände, Musik und Spiele zur Unterhaltung angeboten werden.

 

Zur Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte aus der Perspektive der Betroffenen besuchten wir Le Morne Brabant. Der imposante Basaltmonolith auf der gleichnamigen Halbinsel im Südwesten von Mauritius erinnert an das Schicksal der unzähligen versklavten Menschen, die während der Kolonialzeit auf den Zuckerrohrfeldern schuften mussten. Der Berg ist eng mit dem Narrativ verknüpft, dass sich diejenigen, die von ihren Sklavenhaltern fliehen konnten, in den umliegenden Wäldern versteckten. Nach der Abschaffung der Sklaverei wurden sie – so die Legende – von den Behörden über die Befreiung informiert. Aus Angst vor Verhaftungen stürzten sich jedoch zahlreiche Menschen vom Berg hinunter in den Tod. Heute erinnert das International Slave Route Monument am Fuße des Berges an den damaligen Handel mit versklavten Menschen. Als Teil eines transnationalen Projekts der postkolonialen Erinnerungskultur sollen Statuen aus unterschiedlichen Ländern (Senegal, Madagaskar, Mauritius, Haiti, Frankreich, Mozambique, China, Indien, Réunion, Malaysia) das globale Ausmaß der Ausbeutung deutlich machen. Le Morne Brabant und die mit ihm verknüpften Landschaften der Insel sind seit 2008 als Le Morne Cultural Landscape Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Insbesondere für die kreolische Bevölkerungsgruppe, deren Vorfahren oftmals versklavte Menschen waren, handelt es sich um einen wichtigen Erinnerungsort.

 

An anderen Standorten setzen wir uns ebenfalls kritisch mit der Bedeutung von Statuen und Denkmälern auseinander. Ein Beispiel ist das Paul et Virginie Monument bei Poudre d’Or, das auf den gleichnamigen Roman von Jacque-Henri Bernadin de Saint-Pierre referiert. Die fiktive Liebesgeschichte wird mit dem historischen Unglück des 1744 gesunkenen Schiffs Saint Géran verknüpft. Der Roman und seine zahlreichen medialen Adaptionen haben den Paradiesmythos von Mauritius maßgeblich mitgeprägt. Neuere mediale Interpretationen – wie ein Musikvideo des mauritisch-australischen Sängers Jason Heerah – laden zur kritischen Dekonstruktion derartiger Mystifizierungen ein.

 

Gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt

Die Geschichte der Zuwanderung nach Mauritius sowie die raumprägende Lebensweise unterschiedlicher ethno-kultureller Gruppen standen in der Hauptstadt Port Louis im Fokus. Das im Hafen gelegene Aapravasi Ghat zählt seit 2006 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Gebäude dienten nach der Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1833 als Lager, in dem Vertragsarbeiter:innen ankamen, bevor sie auf die Zuckerrohrplantagen gebracht wurden. Die britische Kolonialregierung hatte Mauritius ausgewählt, um hier zum ersten Mal das ausbeuterische System der Indentured Labour zu etablieren, das ab 1838 auch in anderen Kolonien eingesetzt wurde. Bis 1920 kamen fast eine halbe Millionen Arbeiter:innen aus China, den Komoren, Indien, Madagaskar, Mozambique, Jemen und Südostasien auf die Insel. Heute informiert das Museum vor Ort über die teils sehr schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter:innen, deren Nachfahren einen großen Anteil der gegenwärtigen mauritischen Bevölkerung ausmachen.

 

Port Louis übernahm später die Funktion einer Arrival City (Saunders 2011), in der ankommende Migrant:innen von ihren Netzwerkbeziehungen zu bestimmten ethno-kulturellen Gruppen profitierten. Bis heute sind die Stadtviertel von der Lebensweise der unterschiedlichen Gruppen geprägt, was besonders gut in Chinatown oder im muslimischen Viertel an der Architektur und den religiösen Stätten erkennbar ist. Im Rahmen einer Fotorallye erkundeten die Studierenden in Zweierteams das gesamte Stadtgebiet, um vorgegebene Kategorien wie Rainbow Nation, Religion, Streetfood, Safe City, Streetart und Kontraste bildlich festzuhalten. Die angewandte Methode der reflexiven Fotografie ermöglichte einerseits individuelle Erlebnisse und Austauschmöglichkeiten mit der lokalen Bevölkerung; andererseits stellten die Teilnehmenden beim Vergleich ihrer Fotos fest, welche unterschiedlichen Perspektiven auf räumliche Phänomene eingenommen werden können.

 

An der Caudan Waterfront in der Hauptstadt Port Louis zeugen die ehemaligen Hafenanlagen von der historischen Funktion der Insel als Handels-Umschlagplatz des Indischen Ozeans. Nach der weltweiten Einführung des standardisierten Containers im Jahr 1956 wurde im Norden der Stadt ein großer Containerhafen gebaut, um größere Frachtmengen abfertigen zu können. Zur Revitalisierung der brachliegenden Fläche am Ufer schlossen sich Stadtplaner und Investoren Mitte der 1990er Jahre zusammen (sog. Public Private Partnership), um die vielerorts im Rahmen neoliberaler Stadtentwicklung umgesetzte Strategie des Waterfront Develoment in Port Louis zu etablieren. Die zum Teil durch Aufschüttungen erweiterte Caudan Waterfront beherbergt u.a. die erste Shoppingmall der Insel. Außerdem wurden historische Stätten (z.B. Aapravasi Ghat) und ikonischer Museen (z.B. Blue Penny Museum) integriert. Wie diese vielseitige Konsumkulisse durch kostenlose Unterhaltungsprogramme unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen anzieht, wurde beim gemeinsamen Besuch des Konzertes des mauritischen Künstlers Emmanuel Desroches sichtbar. Musik- und Kulturevents wie dieses tragen seit einigen Jahren zur Eventisierung der Hauptstadt bei, deren übrige Innenstadtviertel nach Ladenschluss weitgehend ausgestorben sind. Die breite Masse der Bevölkerung zieht es nach Feierabend und an den Wochenenden vor allem in die unzähligen Shoppingmalls der Insel, die durch ihre Multifunktionalität und abwechslungsreiche Bespielung zu den beliebtesten Freizeiteinrichtungen zählen.

 

Die kulturelle Vielfalt der mauritischen Bevölkerung kommt besonders deutlich an den spirituellen Orten und religiösen Pilgerstätten zum Ausdruck, die überall auf der Insel sichtbar sind. Neben Kirchen, Marien-Schreinen und Moscheen gibt es zahlreiche hinduistische Tempelanlagen. Die größte und wichtigste ist Ganga Talao (Grand Bassin) im Süden der Insel. Kleine Tempel und imposante Statuen säumen einen Kratersee, dem hinduistische Gläubige eine spirituelle und heilige Bedeutung zusprechen. Der See wurde in den 1970er Jahren symbolisch geweiht, indem ihm Wasser aus dem Ganges zugeführt wurde. Seitdem besuchen mehrere Hunderttausend Pilger:innen – besonders zum hinduistischen Feiertag Shivaratri – diesen Ort. Ein Besuch macht die besondere Atmosphäre des Ortes und das Ausmaß der Anlage erfahrbar. Im Anschluss an die Besichtigung der Stätte diskutierten wir, inwiefern der Ort eine räumliche Manifestation der politischen Vormachtstellung der Indo-Mauritians darstellt.

 

Durch die Teilnahme an einer Konferenz der “University of Mauritius” (UoM) erhielten wir spannende Eindrücke in die interdisziplinäre Forschung zum Indischen Ozean als kulturellen und relationalen Raum. Bei der Konferenz Naviguer le Tout-Monde de l’Océan Indien: poétiques relationelles entre écritures et arts visuels sprachen Wissenschaftler:innen über Literatur und Poesie sowie Identitätsfragen und geopolitische Spannungen in der Region des Indischen Ozeans. Außerdem präsentierten die zwei bekannten Autorinnen Yvonne Adihambo Owuor (Kenia) und Ananda Devi (Mauritius) ihre neuen literarischen Werke. Die Pausen nutzen wir für Gespräche mit internationalen Akademiker:innen. Gleichzeitig verschafften wir uns einen Überblick über den Campus und die Bedeutung der UoM als Knotenpunkt für Wissen und Forschung. Ergänzt wird die Bildungslandschaft von zahlreichen internationalen und privaten Universitäten, die auf der gesamten Insel Zweigstellen eröffnen.

 

Über das musikalische Erbe der Region des Indischen Ozeans informierten wir uns im Conservatoire National de Musique François-Mitterand in Quatre Bornes. Bei der Führung durch das Museum verdeutlichte die Leiterin Claudie Ricaud, dass die musikalischen Traditionen der gesamten Region maßgeblich durch die Kolonialzeit geprägt wurden. Die kreativen Stile von Menschen unterschiedlicher Herkunftsregionen vermischten sich auf den Inseln des Indischen Ozeans. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist der Séga Tipik, ein Tanzmusik-Stil, der auf Mauritius seit 2014 zum immateriellen UNSECO Weltkulturerbes zählt. Unter Anleitung eines Musiklehrers probieren wir die drei zentralen Musikinstrumente des Séga – Triange, Ravanne und Maravanne – selbst aus. Neben diesen spannenden Einblicken in die kulturellen Traditionen der Region erfuhren wir vor Ort von der Bildungsfunktion des Konservatoriums, das sich vor allem an Kinder und Jugendliche aus wenig privilegierten Kontexten richtet.

 

Ökonomische Diversifizierung und Nachhaltigkeit

Die Diversifizierung, Inwertsetzungen und Transformation der mauritischen Wirtschaft wurden insbesondere am Beispiel des Zuckerrohrs thematisiert. Lange Zeit stellte der Anbau von Zuckerrohr und der Export von Zucker ein zentrales Standbein der Ökonomie dar. Nachdem die Garantien für festen Abnahmemengen und -preise ausliefen, verlor der Zuckeranbau an Rentabilität, was Zentralisierungsprozesse der Produktion auslöste. Viele der im Besitz der Franco-Mauritians befindlichen Zuckerrohrfelder werden von den Nachkommen der ehemaligen Zuckerbarone in Hotelareale, Wohnsiedlungen, Business Parks oder gar Smart Cities transformiert. In der Smart City Beau Plan machten sich die Studierenden mit dem Konzept Work, Live, Play vertraut, das dem nationalen Entwicklungsplan für Smart Cities folgt. Die auf der gesamten Insel derzeit ins Leben gerufenen „Smarten Städte“ kennzeichnen die jüngste Phase der ökonomischen Transformation von Mauritius, um vor allem ausländische Investor:innen und Expats anzuziehen.

 

Eine bekannte Firma, die Maßnahmen zur ökonomischen Diversifizierung verfolgt, ist Omincane. Beim Besuch dieses hochmodernen Zuckerrohrunternehmens erhielten die Studierenden einen differenzierten Einblick in die heutige Verarbeitung des Zuckers und die Verwertung aller Nebenprodukte. Im Sinne einer Circular Economy werden Bagasse zur nachhaltigen Stromerzeugung, Molasse für die Gewinnung von Bioethanol und Kohlenstoff als Zementzusatz genutzt. Die zugrundeliegende Motivation zur Diversifizierung des Wirtschaftszweiges bewirbt das zweite noch bestehende zuckerrohrverarbeitende Unternehmen Terra & Alteo Ltd. mit dem bereits zu Beginn thematisierten Slogan Yes We Kann. Ob die breite Bevölkerung und die Umwelt von derartigen Diversifizierungsstrategien profitiert, bleibt jedoch anzuzweifeln. In der Regel verbleiben nicht nur die Gewinne bei der ökonomischen Elite des Landes; auch leidet das gesamte terrestrische und marine Ökosystem von der Fortführung des konventionellen Anbaus der Monokultur Zuckerrohr.

 

Versuche, die Biodiversität und die endemische Flora und Fauna der Insel zu erhalten und wiederherzustellen, werden u.a. im Ebony Forest und auf der Ile aux Aigrettes unternommen. Der Austausch mit den verantwortlichen Initiator:innen machte uns deutlich, dass unterschiedliche Strategien Anwendung finden. Während auf dem Festland derzeit alle invasiven Arten vernichtet und engmaschig kontrolliert werden, wurde auf der Insel Ile aux Aigrettes über Jahre hinweg bereits ein Ökosystem wiederhergestellt, das einige invasive Arten duldet. Bei praktischen Übungen im Feld erlebten die Studierenden im Ebony Forest, wie aufwändig und komplex die Wiederherstellung und der Erhalt der Artenvielfalt ist.

 

Nachdem wir auf der Weiterfahrt die im zentralen Hochland gelegenen Stauseen (z.B. Mare aux Vacoas), die als Trinkwasserreservoirs dienen, passierten, setzten wir uns am Trou aux Cerfs mit der geologischen Entstehung der Insel auseinander. Dieser ruhende Vulkanschlot befindet sich inmitten der Stadt Curepipe. Besprochen wurden die verschiedenen vulkanischen Entstehungsphasen der Maskarenen, um anschließend die Geologie und Morphologie von Mauritius zu vertiefen. Heute haben verladene Kraterseen und Sumpfgebiete eine besondere Bedeutung als Fossillagerstätten, die Aufschluss über die ehemalige Biodiversität der Insel vor ihrer Kolonisierung durch den Menschen geben.

 

In der Nähe der Ortschaft Chamarel beobachteten die Studierenden, wie die sog. siebenfarbigen Erden erfolgreich als Touristenattraktion vermarktet werden. Die Hügellandschaft wird als mystisches Phänomen in Szene gesetzt und nur am Rande über die geophysikalischen und chemischen Prozesse informiert, die für das Farbenspiel verantwortlich sind.

 

Die Exkursionsroute umfasste nicht nur Standorte an Land, sondern auch auf dem Wasser. Auf diese Weise konnte das Ausmaß der Blue Economy, die Bedeutung der Mangrovenaufforstung zum Küstenschutz und die Sensibilität des marinen Ökosystems besser nachvollzogen werden. Beim Besuch der Ferme de Marine de Mahebourg (FMM), einer vollständig intergierten Aquakulturfarm im Osten der Insel, erhielten die Studierenden zudem einen lebhaften Einblick in die Brutanlage, Aufzucht, Verarbeitung und Logistik eines global agierenden Unternehmens. FMM hat sich auf den Export von frischem Fisch (dem Roten Trommler) spezialisiert und gibt an, ökologisch nachhaltig zu wirtschaften.

 

Inwiefern touristische Praktiken zum Schutz des marinen Ökosystems beitragen oder eine Bedrohung dessen darstellen, konnte während einer Schnorcheltour in Blue Bay kritisch beleuchtet werden. Die fortschreitende Degradation des Korallenriffs, sichtbar an der Korallenbleiche, machte insbesondere der Vergleich mit rehabilitierten Korallen im Odysseo Oceanarium, dem größten Aquarium der Maskarenen, deutlich. Derartige Versuche, das marine Ökosystem zu konservieren, werden mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel und den damit verbundenen Naturgefahren für kleine Inselstaaten immer wichtiger. Welche Dimensionen der Nachhaltigkeit auf Mauritius künftig dominieren werden und ob (geo-)politische und ökonomische Interessen die Transformation der Insel weiter bestimmen, wird die Zukunft zeigen.

 

Text und Fotos:

Dr. Marie Karner und Dr. Elisabeth Sommerlad