Exkursion „Dubai/ Vereinigte Arabische Emirate“ 2021

„Dubai will never settle for anything less than first place”, lautet eine vielzitierte Aussage von Mohammed bin Rashid Al Maktoum, dem Herrscher des Emirats Dubai. Wie seine Überzeugung das Stadtbild der Wüstenmetropole prägt, konnten 22 Studierende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im Oktober 2021 erfahren. Im Rahmen der Exkursion „Dubai/Vereinigte Arabische Emirate“ hinterfragten die Bachelor- und Masterstudierenden die Strategien der autokratischen Machthaber, die auf unterschiedliche Weise versuchen, die sieben Emirate auf wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Ebene für die Post-Öl-Ära vorzubereiten. Die Exkursion des Geographischen Instituts der JGU Mainz fand vom 8.10.2021 bis zum 23.10.2021 statt und wurde von Univ.-Prof. Dr. Anton Escher und Dr. Marie Karner geleitet. Die Themenkomplexe Nationalisierung, Disneyfizierung und Touristifizierung sind für das Verständnis der gegenwärtigen Dynamiken in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ausschlaggebend und wurden vor Ort an unterschiedlichen Beispielen diskutiert.

 

Nationalisierung durch kulturelles Erbe

„A nation without a past is a nation without a present or a future.“ Mit diesen Worten erklärte der Gründungsvater der VAE Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, dass kulturelles Erbe bewahrt werden muss. Um zu verstehen, mit welchen Strategien nationale Identität konstruiert und zur Legitimierung der traditionellen Erbmonarchie eingesetzt wird, wurden unterschiedliche Orte in den VAE aufgesucht. Im Historic Distric von Dubai legten die Verantwortlichen den Fokus darauf, den Ursprung der Stadt als Handelsstadt zu inszenieren. Ein Heritage Village, das einer „orientalischen“ Altstadt nachempfunden ist, wurde im Jahr 1997 von der Regierung neu errichtet. Die angrenzenden Souks mit branchensortierten Ladenlokalen für Textilien, Gewürze und Gold werden als traditionell vermarktet, obwohl es sich insbesondere bei den angebotenen Souvenirs um Massenware aus China handelt.

Im Emirat Fujairah befinden sich zahlreiche Forts wie das Awhala Fort, das Al Hayl Castle und das Fujairah Fort. Sie wurden nach der Unabhängigkeit der VAE im Jahr 1971 und verstärkt in der vergangenen Dekade restauriert, um Emiratis und Tourist:innen die Persistenz bestimmter Herrscherfamilien zu verdeutlichen. Ihr Ursprung geht auf den Beginn des 16. Jahrhunderts zurück, als die Kolonialmacht Portugal die Handelsrouten von und nach Indien kontrollierte. Nach dem Niedergang des portugiesischen Kolonialreichs im 17. Jahrhundert fungierten sie als Regierungs- und Wohnsitze der Herrscher und dienten der Verteidigung. Heute werden die Forts und angrenzenden Heritage Villages als Museen und für Festivals genutzt, bei denen lokale Praktiken wie Dichterlesungen und Töpferei vorgeführt werden.

Kamele waren eine wichtige Lebensgrundlage der Beduinen. Die „Wüstenschiffe“ dienten nicht nur als Transportmittel, sondern lieferten auch Fleisch, Milch, Wolle und Leder. Heute spielen Kamele eine wichtige Rolle für die nationale Identität der Gesellschaft der VAE. Auf dem Kamelmarkt in Al Ain wurde die gegenwärtige Relevanz des globalen Kamelhandels durch Gespräche mit Händlern und Käufern sowie anhand von Beobachtungen verständlich. Welche Bedeutung Kamele für die Emiratis haben, zeigte der Besuch eines Kamelrennens im Al Marmoom Camel Racing Club, an dem Kamelhalter aus der gesamten Region teilnehmen. Mit ihren Geländewagen fahren sie auf einer eigenen Fahrspur neben der Rennbahn, um die Roboterjockeys mithilfe einer Fernbedienung vom Auto aus zu steuern. Tourist:innen können sich mit diesem Nationalsport und der verwendeten Technologie beim Besuch der Kamelmilchfarm „Camelicious“ vertraut machen. Mit zehn Kamelen werden dort Rennen inszeniert, bei denen Besucher:innen die Roboterjockeys steuern. Die hochmoderne Kamelmilchfarm von Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum produziert Milchdrinks, Milchpulver, Laban, Eis, Schokolade, Proteinriegel und Kosmetik, die sie weltweit vermarktet.

Der Falke ist das zweite identitätsstiftende Tier für die Emiratis. Vormals spielte die Falknerei für die Jagd in der Wüste eine wichtige Rolle. Heute ist die Falkenjagd eine beliebte Freizeitbeschäftigung von wohlhabenden Scheichs. Die Greifvögel werden von ihren Besitzern wie Haustiere behandelt. Aufzucht und Pflege sind äußerst zeit- und kostenaufwendig. Gut ausgebildete Tiere haben einen Wert zwischen 15.000 und 40.000 Euro. In der Falkenklinik in Abu Dhabi werden rund 5.000 Greifvögel pro Jahr mit aufwendigsten Methoden medizinisch versorgt. Bei einem Rundgang durch die Klinik erhielten die Studierenden einen Einblick in die vertrauensvolle Arbeit der Bediensteten. Im angrenzenden Museum erfahren die Besucher:innen, wie die Falkenjagd funktioniert, welche Arten von Falken es gibt und welchen Auflagen der Falkenhandel und die Falkenaufzucht heute weltweit unterliegen.

Die Architektur der Sheikh Zayed Moschee in Abu Dhabi spiegelt die Verbindung von Tradition und Moderne hervorragend. Sie wurde im Jahr 2007 offiziell eröffnet. Errichtet auf einem 56 Hektar großen Grundstück handelt es sich um die größte Moschee der VAE mit Außenmaßen von 224 mal 174 Metern. Sie trägt den Namen des Mitgründers und ersten Präsidenten der VAE. Das Bauwerk, auf dessen Gelände sich sein Grab befindet, kann sowohl als persönliches Denkmal für den Herrscher als auch als nationale Gebetsstätte des Volkes verstanden werden.

Der Kontrast zwischen Tradition und Moderne zeigt sich während der touristischen Dinner-Cruises in der Dubai Marina und dem Dubai Creek besonders deutlich. Für die Bootsfahrten werden eigens für Tourist:innen gebaute, motorisierte Dhaus (ehem. traditionelle Segelboote) verwendet. In einer von den Studierenden besuchten Werft in Ra’as al-Chaima konnten die modernen Bautechniken beobachtet werden. Heute werden die Boote aus Fieberglas und nicht mehr aus Holz gebaut. Die Werft produziert speziell gestaltete Dhaus für den Transport von Gütern (vor allem in den Iran!), Dhaus für den Fischfang und Dhaus für den Transport von Tourist:innen.

 

 

Disneyfizierung der Stadt

Nicht nur in der „Glitzermetropole“ Dubai, sondern auch in den anderen Emiraten entstehen immer neue Einkaufs- und Unterhaltungszentren, darunter Shopping Malls, Themenparks und Strandpromenaden. Dieses Phänomen wird als Disneyfizierung urbaner Räume bezeichnet. Die klimatisierten Luxus-Malls haben sich zum Schauplatz des sozialen Lebens entwickelt. Zahllose Boutiquen und Läden nationaler und internationaler Marken werden von einzigartigen Attraktionen überstrahlt. Die Skihalle in der Mall of the Emirates ermöglicht es, Wintersport in der Wüste zu betreiben. Die Dubai Mall lockt mit einem der größten Hai-Aquarien der Welt, einer Schlittschuhbahn mit olympischen Ausmaßen und einem künstlerisch gestalteten Wasserfall zahlreiche Besucher:innen an. Außerdem beherbergt sie den Zugang zum höchsten Gebäude der Welt, dem Burj Khalifa, der sich als Wahrzeichen der Stadt personifiziert darstellt: „I am the heart of the city and ist people (…). More than just a moment in time, I define moments for future generations. I am Burj Khalifa”.

Eine Besonderheit der Ibn Battuta Mall sind sechs unterschiedliche Themenbereiche. Sie stehen für die Länder und Regionen, die der Entdecker bereist haben soll. Dazu zählen Andalusien, Tunesien, Ägypten, Persien, Indien und China, die mit aufwendiger Fassadengestaltung und imposanten Artefakten symbolisiert sind. Für die Freizeitgestaltung von Emiratis und Tourist:innen aus aller Welt sind Nachbildungen historischer Architektur weit verbreitet. Als Paradebeispiel ist der Freizeitpark Riverland Dubai zu nennen, wo Themenviertel wie das French Village oder das India Gate für eine abwechslungsreiche Kulisse sorgen.

In ähnlicher Weise ist ein Großteil der Gated Communities gestaltet, die häufig einen mediterranen und exklusiven Charakter haben. Dies gilt ebenfalls für die künstlerisch gestalteten Strandpromenaden (z.B. La Mer, JBR, Kite Beach), wo Hotels, Restaurants, Bars, Boutiquen, Kinos und Wasserparks zahlungskräftige Zielgruppen (z.B. Expats mit und ohne Familien, Wassersportler) anlocken. Fast jährlich entstehen in Dubai neue Attraktionen und Stadtviertel. Diese Konsumorte werden von unterbezahlten Gastarbeitern in unsäglichen Abhängigkeitsverhältnissen (Kafala-System), die in Blockbauten in peripheren städtischen Gebieten unterkommen, errichtet. Durch den vergleichenden Besuch von wohlgestalteten Gated Communities und von Wohnbauten für Arbeiter, wurden für die Studierenden die diametral unterschiedlichen Lebensbedingungen und das Ausmaß der räumlichen Trennung entlang ethnischer Zugehörigkeit sichtbar.

 

Der Besuch der EXPO 2020 lässt erkennen, mit welchem Aufwand die autokratische Erbmonarchie versucht, sich als Drehscheibe der Welt zu präsentieren. Landesweit wird diese Symbolik mithilfe von Kopien von Bauwerken und Attraktionen transportiert. Bekannte Beispiele sind das Atlantis-Hotel auf der Palm Jumeirah in Dubai, das Louvre Museum auf der Saadiyat Island in Abu Dhabi oder aufwendige Wasserspiele wie man sie aus Las Vegas kennt. Die Machthaber der VAE „bauen die Welt nach“ und präsentieren sich damit als weltoffen und mächtig. Die einzelnen Emirate verfolgen allerdings unterschiedliche Strategien, um Tourist:innen anzuziehen. Im Unterschied zum Emirat Dubai, wo insbesondere auf Vergnügen und Shopping gesetzt wird, orientiert man sich im Emirat Abu Dhabi an Sharjah, einem Emirat, das lange unangefochten als kulturelles Zentrum der VAE galt. Mit dem neuen Kulturdistrikt in Abu Dhabi soll nicht nur der Tourismus angekurbelt, sondern ein neuer erzieherischer, kultureller und zivilisatorischer Ansatz verfolgt werden.

 

 

Touristifizierung der Landschaft

Bereits seit den 1980er Jahren setzen die VAE auf die ökonomische Diversifizierung, um das rückläufige Ölgeschäft zu substituieren. Eine weitere Maßnahme, um die Touristenzahlen zu steigern, ist die Erschließung von Landschaften und naturräumlichen Phänomenen für Besucher:innen. Die Oase Al Ain im Emirat Abu Dhabi wurde mit ihren mehr als 147.000 Dattelpalmen im Jahr 2011 in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen. Vor Ort werden Oasen-Touren mit Golf-Carts angeboten, um die Besucher:innen über das etwa 4.000 Jahre alte Falaj Bewässerungssystem und den Etagenbau der Anlage mithilfe von Informationstafeln und QR-Codes aufzuklären.

Sogenannte Wüstensafaris werden als Höhepunkt touristischer Reisen in den VAE vermarktet. Sie bestehen aus Dune Bashing, bei dem geübte Fahrer ihre Geländewagen sinnfrei durch Sand und Dünen bewegen, gefolgt von einem mehrstündigen Aufenthalt in einem angeblichen „Beduinencamp“. Dort werden die Tourist:innen animiert auf einer Dünen zu boarden, ein Kamel zu reiten, sich mit einem Falken ablichten zu lassen, eine Bauchtanzshow zu betrachten, arabische Speisen zu kosten und Wasserpfeife zu rauchen. Der „Orient“ in seiner opulenten und sinnlichen Form, literarisch bekannt aus 1001 Nacht, „lässt grüßen“.

Einen Kontrast zur Wüste stellt der 1934 Meter hohe Jebel Jais dar, der höchste Berg der VAE im Hadschar-Gebirge. Heute zählt er zu einem beliebten Ausflugsziel, da mehrere angelegte Aussichtsplattformen dank einer autobahnartigen Serpentinenstraße problemlos zu erreichen sind. Auf dem Jebel Jais wurde die „längste Zipline der Welt“ errichtet. Die VAE haben sich auch in dieser Dimension als Land der Superlative erwiesen und inszeniert.

Den wohl mächtigsten Eingriff in die Landschaft stellen die künstlich auf der Basis von Fels- und Sand- Aufschüttungen geschaffenen, palmenförmigen Inselketten vor der Küste Dubais dar. Bislang ist nur The Palm Jumeirah bebaut und befahrbar. An ihrer Spitze wurde Ende 2018 die Vergnügungsmeile The Pointe eröffnet. Sie bietet zahlreiche Restaurants mit Blick auf den „größten Springbrunnen der Welt“ und ein „passendes Ambiente“, um im Anblick des Hotels Atlantis die vielseitigen Eindrücke der Exkursion während der Abschlussbesprechung kritisch zu reflektieren.

© Bilder und Text: Marie Karner und Anja Heß