Mainzer Geographische Studien, Heft 43:

Denzer, Vera: Relikte und persistente Elemente einer Ländlich geprägten Kulturlandschaft mit Vorschlägen zur Erhaltung und methodisch-didaktischen Aufbereitung am Beispiel von Waldhufensiedlungen im Südwest-Spessart. Ein Beitrag zur Angewandten Historischen Geographie.

 

KURZZUSAMMENFASSUNG

Die Untersuchung befaßt sich mit einem Kulturlandschaftsabschnitt aus dem Südwest-Spessart, der in seinen Randbereichen erst im Hochmittelalter durch Waldhufensiedlungen erschlossen wurde. Aufgrund der peripheren Lage und besonderen Geländesituation konnte sich dieser Raum nur in bescheidenem Umfang wirtschaftlich weiterentwickeln. Im Vergleich zu den benachbarten Offenlandschaften der Rhein-Main-Ebene und des Fränkischen Gäulandes kommt dem Südwest-Spessart nach wie vor der Status eines innovationsschwachen Passivraumes zu. Diese Rahmenbedingungen boten gute Voraussetzungen für die in der Arbeit behandelte Fragestellung, da man von der Erwartung ausgehen konnte, ein verhältnismäßig ungestörtes Arbeitsfeld mit einem breiten Spektrum von kulturlandschaftlichen Relikten und persistenten Elementen vorzufinden.

Die Arbeit gliedert sich in drei Untersuchungsabschnitte: Einleitend wird eine detaillierte Fluranalyse der ländlichen Siedlungen Hobbach, Heimbuchenthal, Mespelbrunn, Hessenthal, Wintersbach, Krausenbach und Wildensee vorgenommen. Auf Basis der Flurkartenanalyse der Liquidationspläne aus dem Jahre 1847 läßt sich in Kombination mit der Auswertung umfangreichen Archivmaterials das Bild einer formengenetischen Reihe aufzeigen. Die Abfolge beginnt mit der Frühform von Hobbach, führt über einige voll entwickelte Grundformen von Waldhufen und endet mit der erst neuzeitlich entstandenen, ärmlich ausgestatteten Kümmerform von Oberwintersbach auf der Geishöhe.

Im zweiten Abschnitt der Arbeit, der umfassenden Landschaftsanalyse, erfolgt eine Geländeaufnahme der wichtigsten sichtbaren Relikte und persistenten Elemente menschlichen Agierens seit der Zeit der Inkulturnahme. Bei den erfaßten Objekten handelt es sich im wesentlichen um Hinterlassenschaften aus den Bereichen landwirtschaftlicher Nutzung und waldgewerblicher Tätigkeiten einschließlich von Transport- und Verkehrswegen. Die Relikte zur historischen Energieerzeugung vervollständigen das Gesamtbild. Als Zeugnisse der Vergangenheit gewähren sie nicht nur Einblicke in historische Bewirtschaftungssysteme, sie vermitteln auch Informationen über ehemalige Sozialstrukturen und Lebensformen. Infolge wirtschaftlicher und technischer Erneuerungsprozesse besteht die Gefahr der Überprägung und Zerstörung der traditionell gewachsenen Kulturlandschaft.

Der dritte Abschnitt der Arbeit befaßt sich daher mit der Notwendigkeit und den Möglichkeiten der Pflege und Erhaltung des oben ausgewiesenen historischen Erbes. Zwei Wege, die sich konstruktiv ergänzen, scheinen zur Erreichung dieses Zieles besonders geeignet. Einerseits die gesetzliche Unterschutzstellung, die in eine erhaltende Kulturlandschaftspflege einmünden soll, andererseits die methodisch-didaktische Aufbereitung von Objekten und Ensembles zur Sensibilisierung der Bevölkerung und Besucher für die Alltagsgeschichte ihres eigenen Lebensraumes, bzw. ihrer Erholungslandschaft. Es konnte gezeigt werden, daß der spezifisch historisch-geographische Dokumentationswert innerhalb eines integrativen Kulturschutzes durch verschiedene systemimmanente wie auch problemorientierte Ensembles an Aussagekraft gewinnt. Bei der Landschaftsbewertung stehen also nicht Einzelobjekte im Vordergrund, sondern landschaftsprägende regionaltypische Ensembles. Der zweite Weg der methodisch- didaktischen Aufbereitung des kulturhistorischen Erbes wird als wichtige Aufgabe im Rahmen einer Konzeption des regionskundlichen Tourismus aufgezeigt. Dabei leisten die Ideen einer ecomusealen Aufbereitung durch Einrichtung von Antennenrouten zum Erkennen und Begreifen der Objekte vor Ort wertvolle Hilfestellung.