Mainzer Geographische Studien, Heft 37:

König, Dieter: Erosionsschutz in Agroforstsystemen. Möglichkeiten zur Begrenzung der Bodenerosion in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft Rwandas im Rahmen standortgerechter Landnutzungssysteme

 

Zusammenfassung

Das tropische Bergland Rwanda steht vor dem Problem, eine schnell wachsende kleinbäuerliche Bevölkerung von derzeit 7,2 Millionen von einer kaum mehr erweiterbaren Kulturfläche zu ernähren. Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion erfolgt fast ausschließlich über eine Verkürzung der Brachezeiten, d.h. unter Festhalten an den tradierten Landnutzungsmethoden, deren ökologische Grenzen bei einer physiologischen Einwohnerdichte von durchschnittlich 500 EW/km2 – in agrarökologischen Gunsträumen bis zu 1000 EW/km2 und mehr – längst überschritten sind.

Die Übernutzung der bestehenden Anbauflächen und die Inkulturnahme von Hängen von bis zu 100 % Neigung hat einen Prozeß fortschreitender Bodendegradation und Bodenerosion ausgelöst, der auf den stark eroisonsgefährdeten Standorten im Laufe der nächsten Generation zum Verlust des gesamten fruchtbaren Oberbodens führen wird.

Das von der rwandischen Regierung propagierte, inzwischen nahezu landesweit realisierte Konzept höhenlinienparalleler Erosionsschutzgräben erweist sich unter diesen Bedingungen als nicht standortgerecht. Dieses arbeitsintensive, jedoch unproduktive, mit erheblichen Verlusten an landwirtschaftlicher Kulturfläche verbundene mechanische Erosionsschutzsystem trägt den komplexen Ursachen der Bodenerosion nicht genügend Rechnung, seine landesweite Anwendung impliziert neue Risiken, z.B. das einer Förderung gravitativer Massenbewegungen auf schlecht drainierten Substraten.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Möglichkeiten untersucht, der Bodenerosion und Bodendegradation in einem integrativen Ansatz entgegenzuwirken. Der standortgerechte Landbau betrachtet Bodenerosion nicht als isoliertes Problem, das mit Hilfe einfacher mechanischer Maßnahmen zu lösen wäre, sondern als komplexen Prozeß, dem es insbesondere mit Hilfe biologischer Verfahren zur Vermeidung von Erosionsschäden in statu nascendi entgegenzuwirken gilt.

Um die Auswirkungen eines jungen und eines adulten Agroforstsystems auf Oberflächenabfluß und Bodenabtrag sowie die Wirksamkeit unterschiedlicher Erosionsschutzdispositive vergleichend zu untersuchen, wurden im Süden des rwandischen Zentralplateaus zwölf Meßparzellen in zwei standortgerecht bewirtschafteten Agrarökosystemen mit Grevillea robusta sowie je eine kleinbäuerlich bewirtschaftete und eine ständig vegetationsfrei gehaltene Parzelle eingerichtet. Niederschlagsmenge und -intensität, Oberflächenabfluß und Bodenabtrag werden in Butare seit Beginn der Anbausaison B 1986/87 in Mugusa seit Saison A 1987/88 quantitativ erfaßt. Die Veränderungen ertragsrelevanter Bodenparameter, der selektive Abtransport von Nährstoffen und organischer Substanz durch Oberflächenabfluß und Bodenabtrag sowie die Entwicklung der Agroforstkomponenten und der landwirtschaftlichen Kulturen werden fortlaufend dokumentiert.

Die Auswertung der Niederschlagsaufzeichnungen ergab für Butare und insbesondere für Mugusa eine für feuchttropische Verhältnisse außergewöhnlich geringe Erosivität der Niederschläge. Dennoch liegt der auf ganzjährig vegetationsfrei gehaltenen Parzellen ermittelte Maximalbetrag der Bodenabtragung unter den gegebenen Standortbedingungen in Butare bei über 550 t/ha.a und in Mugusa trotz eines sehr hohen Bodenbedeckungsgrades durch "Steinmulch" bei über 70 t/ha.a.

Die Ergebnisse der Erosionsmessungen zeigen, daß es bereits mit Hilfe relativ einfach zu installierender Leguminosenhecken auf 0,5 m breiten Mikroterrassen möglich ist, den Bodenabtrag im kleinbäuerlichen Maniokanbau von über 300 t/ha.a auf nur fünf Prozent des Ausgangswertes (15,9 t/ha.a) zu reduzieren. Durch Übergang zu einer standortgerechten Bewirtschaftung der Parzellen (Mischkultur, Gründüngung, Kompostanwendung) läßt sich dieser nach wie vor zu hohe Wert im Mittel auf 6,1 t ha.a reduzieren. Die drei wirkungsvollsten Verfahren (Alley-cropping mit 0,5 m breiten Calliandrahecken im Abstand von fünf Metern; 1 m breite, mit dem Futtergras Setaria splendida bepflanzte Mikroterrassen im Abstand von zehn Metern sowie 1 m breite, mit Leucaena leucocephala bepflanzte Mikroterrassen im Abstand von 10 Metern mit dazwischengeschalteten Häufelreihen) waren in der Lage, den Bodenabtrag auf den standortgerecht bewirtschafteten Parzellen auf drei Tonnen pro Hektar und Jahr, d. h. auf nur ein Prozent des auf kleinbäuerlich bewirtschafteten Parzellen gemessenen Wertes zu reduzieren.

Die vermuteten Vorteile der untersuchten biologischen Erosionsschutzverfahren (Effektivität bei geringem Wartungsaufwand, Nährstoffrecycling, bei gleichzeitig hoher Biomasseproduktion, Stabilität auch während extremer Erosionsereignisse) ließen sich experimentell bestätigen. Die erosionsbedingen Nährstoffverluste reduzierten sich gegenüber der ungenügend vor Bodenabtrag geschützten Vergleichsparzelle auf nur wenige Prozent der Ausgangswerte. Zugleich tragen Bäume und Hecken über Blattfall und die Verwendung von Schnittmaterial als Mulch zu einem Recycling ausgewaschener Nährstoffe und zur Versorgung des Systems mit von symbiontischen Knöllchenbakterien assimiliertem Stickstoff bei; die Kulturpflanzen werden auf diese Weise mit zu 130 kg N, 50 kg P und 25 kg K pro Hektar und Jahr versorgt.

Die in einem neu eingerichteten und einem seit fünfzehn Jahren bestehenden Agroforstsystem seit nunmehr fünf Jahren durchgeführten Forschungsarbeiten zeigen dennoch, daß selbst ein optimal vor Bodenerosion geschütztes Agroforstsystem per se nicht zur Amelioration eines degradierten Standortes in der Lage ist. Ein solches, selbst auf stark erosionsgefährdeten Standorten zur Begrenzung des Bodenabtrages und damit zur Vermeidung erosionsbedingter Verluste an organischer Substanz sowie zum Recycling ausgewaschener Nährstoffe befähigtes System schafft jedoch die notwendigen Voraussetzungen für eine nachhaltige Intensivierung der Agrarproduktion: Ohne eine Begrenzung der Bodenerosion auf ein toleriertes Maß sind sämtliche Maßnahmen zur Verbesserung der kleinbäuerlichen Produktion a priori zum Scheitern verurteilt.