Mainzer Geographische Studien, Heft 33:

Amend, Stephan: Der Nationalpark "El Avila". Bedeutungswandel und Managementprobleme einer hauptstadtnahen Region in Venezuela.

Ausblick

Jedem Caraque*o und jedem ausländischen Gast, der Caracas besucht, ist die Gebirgskette der "Sierra del Avila" jeden Tag vor Augen. Der "Avila" ist der Liebling der Caraqu*os und das heimliche Wahrzeichen von Caracas. In dieser schnellebigen Stadt, in der nach wie vor ständig gebaut wird und auch alte historische Plätze immer wieder umgestaltet werden, scheint der "Avila" das einzige Beständige zu sein.

Aus heutiger Sicht ist es geradezu eine Kuriosität daß eine der wichtigsten Verkehrsadern des Landes, die Autobahn Caracas – La Guaira, größtenteils innerhalb des Nationalparkgebietes verläuft und daher jeder, der Caracas von La Guaira kommend besucht, zumindest den Park in seinem westlichen Randbereich durchquert hat. Wer die Strecke fährt, wird sofort sehen, daß zwischen der alten Straße nach La Guaira und der Autobahn riesige Barrios innerhalb des Nationalparkgebietes entstanden und eine Auffahrt vom Litoral nach Caracas in "tadellosem Zustand" eine Wunschvorstellung blieb. Jedoch konnte das Wachstum von Caracas entlang der Stadtautobahn "Cota Mil" gestoppt werden. Auch die Städte des Litorals greifen relativ gezähmt in das Parkgebiet hinein. Der Anspruch der Nationalparkpolitik durch die Gründung des Nationalparks "El Avila" eine von Besiedlung freie Region am Rande eine Ballungsraumes zu schaffen, konnte nur teilweise durchgesetzt werden. Die meisten innerhalb des Parks lebenden Bewohner konzentrieren sich jedoch in den durch vierradbetriebenen Fahrzeuge zugängigen Blumen- und Gemüseanbaugebieten von Galipan und Hoyo de la Cumbre, während in der Region oberhalb von Macuto bis Los Caracas nur noch vereinzelt Kleinbauern in traditioneller Weise Anbau betreiben.

Um gegenüber der innerhalb des Nationalparks lebenden Bevölkerung eine klare und unzweideutige Politik betreiben zu können, sollte in Managementplan erstellt werden, der gesetzlich verankert ist. Die im Managementplan festzuschreibende Zonierung muß realistisch und durchsetzbar sein. Sie muß sich am Naturschutzgedanken orientieren, sollte aber auch berechtigte Ansprüche einzelner Bevölkerungsgruppen berücksichtigen.

Ein geographisches Informationssystem mit einem engmaschigen Gitternetz wie es in der vorliegenden Arbeit eingeführt wurde, sollte weiterentwickelt werden, um Daten über Tier- und Pflanzenwelt, Biotope und Ökotope, aber auch menschlichen Ein- und Übergriffen in die Natur etc. zu präzisieren und zu lokalisieren. Der Status quo und die Entwicklungstendenzen innerhalb des Nationalparks "El Avila" könnten so den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung, aber auch einer interessierten Öffentlichkeit stets aktuell und anschaulich vermittelt werden.

Beim 4. Weltkongreß über Nationalparks, der 1992 in Caracas stattfinden wird, sollte ein Managementplan vorgestellt werden, der vor allem in Bezug auf die Siedlerproblematik und den Umgang mit großen Touristenströmen, durch seine Art der Zonierung und sein Reglement Vorbildcharakter für Parkmanager anderer Nationen haben könnte.

Der Nationalpark wurde 1988 von 33 Parkwärtern überwacht, die innerhalb oder am Rande des Parks wohnen. Je nach Sektor, der ihnen zugewiesen ist, liegt der Schwerpunkt ihrer Aufgaben verschieden: auf der Nordabdachung in der Überwachung der dort ansässigen Siedler bzw. der Verhinderung neuer Ansiedlungen; auf der Südabdachung des Avilas, also der Caracas zugewandten Seite, in der raschen Meldung von Bränden, die häufig während der Trockenzeit aufflammen und in der Betreuung von Erholungssuchenden. Die Aus- und Weiterbildung dieser Parkwächter, die Ziele und Aufgaben des Nationalparks durchsetzen müssen, ist voranzutreiben, da nur gut ausgebildetes Personal effektive und überzeugende Naturschutzarbeit leisten kann.

Die Umsetzung des Bildungsauftrages des Nationalparks "El Avila" ist trotz mancher Bemühungen noch stark verbesserungsbedürtig. Die Informationsvermittlung an die Parkbesucher über den Park und die durch ihn geschützte Natur weist große Defizite auf. Es ist zu hoffen, daß hier rasch Abhilfe geschafffen wird, um das Potential des Parks zur Natur- und Umweltschutzerziehung zu nutzen.

Trotz aller Probleme, die es im Nationalpark "El Avila" nach wie vor zu lösen gilt, muß man alle beglückwünschen, die sich vor dreißig Jahren für die Einrichtung diese Nationalparks einsetzten oder später an der Durchsetzung der Nationalparkziele mitwirkten. Durch ihre Weitsicht – die Entwicklung von Caracas im Blick habend – und die daraus resultierend abgeleitete Konsequenz den "Avila" unter den strikten Schutz eines Nationalparks zu stellen, konnte dieser weitgehend aus der Schnellebigkeit der Metropole Caracas herausgehalten werden.