Mainzer Geographische Studien, Heft 30:

Seimetz, Hans-Jürgen: Raumstrukturelle Aspekte des Fernstrassenbaus. Auswirkungen von Autobahnen auf Arbeitsplatzwahl, Wohnortwahl und Einkaufsverhalten privater Haushalte (dargestellt am Autobahnteilstück Bingen-Koblenz der Autobahn A 61)

 

Schlußfolgerungen

Die Ergebnisse der empirischen Befragung

Abschließend sollen die Ergebnisse der empirischen Erhebung zusammengefaßt und mit den im Kapitel 2.5 dargestellten Resultaten bisheriger Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen von Fernstraßen auf das räumliche Verhalten privater Haushalte verglichen werden; gleichzeitig werden die in Kapitel 2.6. formulierten Hypothesen zu diesen Wirkungsbereichen wieder aufgegriffen.

Die Untersuchung setzt sich mit den Abhängigkeiten zwischen räumlichen Entwicklungsprozessen und Erreichbarkeitsveränderungen infolge des Autobahnbaus im ländlichen Raum auseinander. Im Mittelpunkt der Analyse stehen dabei nicht die regionalwirtschaftlichen Effekte, sondern die weiteren raumstrukturellen Auswirkungen einer Autobahn auf die Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung, die Wohnort- und Arbeitsplatzwahl sowie das Einkaufsverhalten privater Haushalte.

Die Wirkungsweise erfolgt zweistufig. Zunächst wird untersucht, ob sich aus den Daten der amtlichen Statistik quantitative Entwicklungen ableiten lassen, die in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Autobahnbau stehen. In einem zweiten Schritt werden auf der Grundlage einer Haushaltsbefragung Auswirkungen der Autobahn auf räumliche Verhaltensweisen privater Haushalte und deren subjektive Urteile zu ausgewählten raumstrukturellen Effekten einer Autobahn ermittelt.

Der Untersuchungsraum umfaßt einen beiderseits eines Autobahnabschnitts der A 61 gelegenen Teil des östlichen Hunsrücks und des Mittelrheintales mit einer Bevölkerungszahl von rd. 100.000 Einwohnern.

Der Bau der linksrheinischen Autobahn bedeutet für den Bereich des östlichen Hunsrücks eine wesentliche Verbesserung der großräumigen Lage innerhalb des Fernstraßennetzes der Bundesrepublik Deutschland. Für die dortige Wohnbevölkerung ist die Erreichbarkeit der Verdichtungsräume Mainz/Wiesbaden und Koblenz deutlich verbessert worden. Für die im Rheintal gelegenen Gemeinden spielen Erreichbarkeitsverbesserung nur eine untergeordnete Rolle. Hier ist von entscheidender Bedeutung, daß mit dem Autobahnbau das Verkehrsaufkommen auf der rheinparallelen Bundesstraße B 9, insbesondere der Güterverkehrsanteil rapide zurückging, und somit die Wohnfeldbedingungen in den Rheintalgemeinden, aber auch die künftigen Entwicklungsmöglickeiten für den Fremdenverkehr, verbessert wurden. Der durch den Autobahnbau eingetretene Rückgang des täglichen Fahrzeugaufkommens kommt voll bei der Einschätzung der Wirkungen der A 61 auf das örtliche Verkehrsaufkommen und die Fremdenverkehrsattraktivität der Gemeinde sowie der näheren Umgebung zum Tragen: diese Effekte wurden in der Rheintalgemeinde Oberwesel am positivsten bewertet. Allerdings war im Falle der Beurteilung der Fremdenverkehrsattraktivität der Gemeinde eine starke Polarisierung in den Urteilen zu beobachten. Während eine Hälfte der Befragten positive Wirkungen feststellte, war zum anderen ein Viertel der Befragten der Auffassung, die Fremdenverkehrsattraktivität der Gemeinde habe sich seit dem Autobahnbau verschlechtert. Es liegt hier der Schluß nahe, daß der zu beobachtende Rückgang der Fremdenübernachtungen auch auf den Bau der A 61 und die Umlenkung des Durchgangsverkehrs zurückzuführen ist.

Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung konnten divergente Entwicklungstendenzen in den einzelnen Entfernungszonen zur A 61 aufgezeigt werden, wobei die Unterschiede in der Entwicklungsdynamik durch die Wanderungsbewegungen bestimmt werden. Bevorzugte Wohnstandorte der Zuwanderer sind die autobahnnahen Gemeinden; gleichzeitg tritt hier eine starke Nachfrage nach Zweitwohnsitzen auf. Die Phasen stärkster Zuwanderung folgen unmittelbarer im Anschluß an die Ausweisung von Bauland in den autobahnnahen Gemeinden. Der von KESSELRING (1982a; 1982b) festgestellte zeitliche Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Autobahnbau wird bestätigt.

Die Auswertung der amtlichen Statistik und von den Unterlagen der Verbandsgemeindeverwaltungen belegt, daß vom Fernstraßenbau eine Dezentralisierungswirkung ausgeht, indem eine Verlagerung der Wohnsitze aus den Arbeitsstandorten des Verdichtungsraumes in das Umland erfolgt, wobei die autobahnnahen Gemeinden eindeutig präferiert werden.

Unter den Motiven der Wohnortwahl rangieren die Realisierung des Eigenheims, die Wohnungslage/-umgebung und die landwirtschaftliche Lage der Gemeinde auf den drei vorderen Plätzen. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Wohnortpräferenz und Verkehrsinfrastruktur konnte aus der Wohnortwahlmotiverhebung nicht ermittelt werden (ebenso: KURTH u.a. (1978)). Die Fernverkehrserreichbarkeit, ausgedrückt als Entfernung zum nächsten Autobahnanschluß, erreichte unter 15 vorgegebenen Wohnortwahlmotiven nur den 11. Rang. Dennoch wird die Entfernung zum Autobahnanschluß nur in wenigen Fällen als "unwichtiger" Gesichtspunkt bezeichnet. Die Erreichbarkeit der Oberzentren hat insbesondere die Wohnstandortentscheidung der erwerbstätigen Bevölkerung in den autobahnnahen Gemeinden entscheidend mitbestimmt.

Die Erhöhung der Wohnattraktivität der autobahnnahen Gemeinden, deren Anbindungsqualität an die Oberzentren verbessert wurde, führt zu einer verkehrswegeinduzierten Abwanderung aus den Verdichtungszentren in den Untersuchungsraum. Der in der Untersuchung der GEWOS (1982) beschriebene "Verteilungsveränderungsprozeß" zugunsten der Gemeinden im weiteren Hinterland der Kernstadt kann auch am vorliegenden Beispiel beobachtet werden.

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung grenzen den räumlichen Wirkungsbereich des Verteilungsveränderungsprozesses ein. Bei einer Entfernung von ca. 50 km zum Verdichtungsraum treten trotz Autobahnnähe nur noch geringe Einflüsse der Verdichtungszentren auf die Verkehrsmengeentwicklung, die Bevölkerungsentwicklung und die Wohnungsbautätigkeit auf. Die bei dieser Distanz zu den Verdichtungsräumen beobachteten Entwicklungen weichen deutlich von den Verläufen in den übrigen autobahnnahen Teilräumen ab.

Diese Befunde decken sich mit den Ergebnisse von LUTTER (1980) zu den Auswirkungen des Fernstraßenausbaus auf die Arbeitsplatzstandortwahl von außerhalb des ländlichen Raumes wohnenden Arbeitnehmern zugunsten eines Arbeitsplatzes im ländlichen Raum. Die Befragung von Arbeitnehmern in aus dem Verdichtungsraum in den ländlichen Raum verlagerten Betrieben ergab, daß bei einer Verlagerungsentfernung von ca. 50 km und direkter Lage des Betriebes an der Autobahn der gerade noch zumutbare Entfernungsbereich erreicht wird. (vgl. LUTTER 1980, S. 240). Die Aussagen LUTTERS über die Distanzempfindlichkeit von Arbeitsplatzwechseln vom Verdichtungsraum in den ländlichen Raum können auf die Wohnortwahl von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz im Verdichtungsraum beibehalten, übertragen werden.

Der Autobahnbau fördert die Wohnortpersistenz. Die Analyse der Bevölkerungsentwicklung zwischen 1970 und 1982 hat gezeigt, daß, neben einer starken Zuwanderung in die autobahnnahen Gemeinden, in den autobahnfernen Gemeinden – aufgrund abnehmender Wanderungsverluste – eine Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung eintritt. Der geringe Prozentsatz derjenigen, die in der nächsten Zeit ihren Wohnsitz verlegen wollen, bestätigt diesen Befund. Die Bindung der länger ortsansässigen Haushalte an den Wohnort ist auch bei verbesserter Fernverkehrsanbindung sehr stark.

Es konnten keine durch den Fernstraßenbau verursachten Indizien für eine weitere Entleerung des ländlichen Raumes ermittelt werden.

Die Autobahn hat den Berufspendlereinzugsbereich der Verdichtungsräume Mainz/Wiesbaden und Koblenz erheblich erweitert. Die Wirkungen der A 61 auf die Erreichbarkeit der Arbeitsplätze und das Arbeitsplatzangebot der näheren Umgebung wurde von allen Befragten positiv eingeschätzt. Hingegen wurde nur in wenigen Fällen eine Verbesserung des Arbeitsplatzangebotes der Wohngemeinde gesehen. Es kann davon ausgegangen werden, daß die durch den Fernstraßenbau gestiegene Attraktivität der größeren Arbeitsmärkte in den Verdichtungsräumen zu einer Steigerung des Fernpendleraufkommens und zu einer Ausweitung der Berufspendelentfernungen geführt hat. Dabei sind es die autobahnnahen Haushalte und hier die Zuwanderer, die die A 61 überdurchschnittlich häufig für die Fahrt zur Arbeit nutzen.

Die Erhöhung der die Grenzen des Untersuchungsraumes überschreitenden Pendlerbeziehungen resultiert in erster Linie aus der Verlagerung des Wohnsitzes in den Untersuchungsraum. Aus den Zuzügen in die autobahnnahen Gemeinden ergeben sich verdichtungsraumorientierte Auspendlerströme. Darüber hinaus legen die Auspendler aus den autobahnnahen Gemeinden weitere Pendelwege zurück, als die Erwerbstätigen in den übrigen Entfernungszonen.

Dagegen wird die Möglichkeit, einen in weiterer Enfernung gelegenen, qualitativ besseren Arbeitsplatz in noch zumutbarem Zeitaufwand erreichen können, von den länger Ortsansässigen nur in geringem Maß genutzt. Die verbesserte Anbindung der Verdichtungsräume allein bietet keinen Anreiz für einen Arbeitsplatzwechsel. Eine quantitativ bedeutsame Ausdehnung der Sogeffekte der Verdichtungsräume auf ländliche Arbeitsmärkte (vgl. LUTTER 1980, S. 238) infolge des Fernstraßenbaus ist nicht zu erwarten. Allerdings handelt es sich bei den wenigen Arbeitsplatzwechslern vornehmlich um jüngere Erwerbstätige mit hohem beruflichen Qualifikationsniveau. Die Aufnahme eines neuen Arbeitsplatzes im Verdichtungsraum und die Inkaufnahme weiterer Pendelwege zieht aufgrund starker Bindungen an den Wohnort dennoch keine Wohnstandortverlagerung in die Nähe des Arbeitsplatzes nach sich.

Trotz einer Veränderung der Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen, hat sich die räumliche Orientierung der Nachfrageströme nicht entscheidend verändert. Der Einkaufsverkehr weist einen deutlichen Bezug zum zenrtralörtlichen System auf. Dabei orientieren sich die Einkaufsverkehre der bereits länger im Untersuchungsraum ansässigen Bevölkerung in die Mittelzentren, während die zugezogenen Haushalte überdurchschnittlich häufig die Oberzentren aufsuchen.

Die Einkaufszielorientierung wird entscheidend durch den Standort des Arbeitsplatzes bestimmt (ebenso: KURTH u. a. (1978)). Die zugezogenen Haushalte, deren Haushaltsvorstand häufig im Verdichtungsraum arbeitet, erledigen einen Großteil ihrer Einkäufe im Oberzentrum; gleiches gilt für die Arbeitsplatzwechsler, die bereits seit längerer Zeit im Untersuchungsraum leben. Dies bedeutet zum einen, daß die Kaufkraft der zugezogenen Haushalte nur zum Teil den Geschäften in den Mittelzentren zugute kommt, während ein großer Teil der Nachfrage in den Überzentren gedeckt wird. Zum anderen trägt die Erhöhung der Zahl der Fernpendler unter den länger im Untersuchungsraum ansässigen Erwerbstätigen zu einem teilweisen Kaufkraftabfluß bei, indem dann viele Einkäufe am neuen Arbeitsstandort erledigt werden.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß vom Bau der Autobahn A 61 keine destabilisierende Wirkung auf die Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung ausgeht. Die Ergebnisse der quantitativen Analyse weisen nicht auf starke, von den Verdichtungsräumen ausgehende Sogeffekte hin. Die Befragungsergebnisse zur Arbeitsplatz- und Wohnortwahl sowie zum Einkaufsverhalten unterstützen diese Befunde und zeigen darüber hinaus, daß die zentralen Orte im ländlichen Raum durch die Verbesserung der Fernverkehrsanbindung an die Verdichtungsräume nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt haben.

Folgerungen für die weitere Bundesfernstraßenplanung

Zur Beantwortung der Frage, wie viele Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung für die Beurteilung der Raumwirksamkeit zukünftiger Bundesfernstraßeninvestitionen verwendet bzw. in den bestehenden Ansatz zur Bewertung von Fernstraßenbaumaßnahmen eingebracht werden können, ist zunächst die bisherige Praxis der Projektbewertung im Rahmmen der Fortschreibung des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen heranzuziehen.

Bei der Aufstellung des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen 1971 – 1985 im Jahre 1971 wurde eine im Abstand von fünf Jahren durchzuführende Überprüfung vorgesehen, mit dem Ziel, den Bedarfsplan unter Beachtung des Raumordnungsgesetzes und der zu erwartenden Verkehrsplanung anzupassen. (vgl. "Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 – 1985" vom 30. Juni 1971, BGBl. I, S. 873). Entsprechend wurde der Bedarfsplan bisher zweimal überprüft und als Änderungsgesetz beschlossen (vgl. "Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 – 1985 -FstrAbÄndG-" vom 5. August 1976, BGBl. I, S. 2093; "Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 – 1985 -2.FstrAbÄndG-" vom 25. August 1980, BGBl. I, S. 1614). Inzwischen erfolgte eine erneute Überprüfung, deren Ergebnis zur Zeit als Gesetzentwurf vorliegt (vgl. "Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen - 3.FstrAbÄndG -" vom 27. November 1985, Bundestags-Drucksache 10/4389).

Für die Entwicklung des Bewertungsverfahrens zur Aufstellung der Bedarfspläne für die Bundesfernstraßen ist eine stetige Verfeinerung der Methodik kennzeichnend; insbesondere raumordnerische Kriterien gewannen zunehmend an Bedeutung (vgl. SINZ 1981, S. 245 ff.). Die Investionspolitik im Bereich der Bundesverkehrswege baut heute auf einer koordinierten Planung auf, wobei die Fernstraßenplanung Bestandteil der integrierten Bundesverkehrsplanung ist. (vgl. Der Bundesminister für Verkehr (Hrsg.) 1980; Der Bundesminister für Verkehr (Hrsg.) 1982). Die wichtigsten Koordninierungsinstrumente sind integrierte Gesamtverkehrsprognosen und Einzelprojektbewertungen nach einheitlichen gesamtwirtschaftlichen, regionalpolitischen und ökologischen Maßstäben.

Bei der gesamtwirtschaftlichen und verkehrlichen Bewertung gehen auf der Positivseite in erster Linie Transportkostenersparnisse, Erreichbarkeitsverbesserungen und Beiträge der Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ein. Diesen positiven Wirkungen werden die Investitionskosten sowie die Kosten für Unterhaltung und Betrieb der Verkehrswege gegenübergestellt. Anhand einer Nutzen-Kosten-Analyse wird auf diese Weise die gesamtwirtschaftliche Bauwürdigkeit jeder geplanten Maßnahme bewertet.

Grundlage für die regionalpolitische Beurteilung bildet die Abgrenzung der strukturschwachen Gebiete nach der Gemeinschaftsaufgabe "Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Geprüft wird, ob die Maßnahme zu einer Standortverbesserung strukturschwacher und peripherer Gebiete beiträgt. Zusätzlich werden bei der regionalpolitischen Bewertung die Verbindungsqualitäten jeweils benachbarter Oberzentren, Beiträge zur verkehrlichen Entlastung der Verdichtungsräume und städtebauliche Verbesserungen auf der Positivliste herangezogen. Diesen erwarteten positiven Wirkungen werden als mögliche nachteilige Effekte "unerwünschte Sogeffekte" gegenübergestellt.

Die ökologische Bewertung wird nur für großräumig bedeutsame Projekte vorgenommen. In die ökologische Risikoanalyse gehen daher nur Neubauprojekte von mehr als 15 km Länge ein. Generell soll auf der Ebene der Bundesverkehrswegeplanung weder eine ökologische Unbedenklichkeit noch ein endgültiger Verzicht auf das Projekt ausgesprochen werden. Vertiefende Untersuchungen sollen im weiteren Planungsverlauf (Linienbestimmung, Planfeststellung) erfolgen. Wenn jedoch bereits bei der generellen Analyse schwerwiegende Eingriffe in die Natur und in das Landschaftsbild erkennbar werden, die auch durch Ausgleichsmaßnahmen nicht ausreichend gemildert werden können, kann bereits in dieser Phase ein Verzicht auf die geplante Maßnahme in Frage kommen.

Im Einzelfall werden noch "zusätzliche Kriterien" für die Projektbeurteilung herangezogen.

Die Darstellung des Bewertungsverfahrens zur Aufstellung des Bedarfplanes für die Bundesfernstraßen verdeutlicht, daß bereits in dieser ersten Phase der Projektbeurteilung zahlreiche Verkehrsinfrastruktureffekte berücksichtigt werden, die nicht in metrischen Daten, sondern nur qualitativ-ordinal erfaßt werden können. Hierzu zählen insbesondere die raumordnerischen Effekte einer Fernstraßenbaumaßnahme. Im Gegensatz zur Berücksichtigung dieses breiten Spektrums raumstruktureller Effekte steht jedoch die abschließende Dringlichkeitsreihung, die nur entsprechend dem Ergebnis der gesamtwirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Rechnung erfolgt. Die raumplanerischen und regional- politischen Auswirkungen der Einzelmaßnahme spielen nach Abschluß des einheitlichen Bewertungsverfahrens in den einzel-projektbezogenen Gesprächen zwischen dem Bundesminister für Verkehr und den Bundesländern eine entscheidende Rolle über die endgültige Aufnahme einer Maßnahme in den Bedarfsplan.

Für die Fortentwicklung des Bewertungsverfahrens ergibt sich daraus, daß sich die bundeseinheitliche Projektbewertung auf die zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen und verkehrlichen Auswirkungen einer Maßnahme beschränken sollte, wobei nur eindeutig monetarisierbare Größen in die Nutzen-Kosten-Analyse einzugehen hätten.

In den sich an die erste Projektbewertung anschließenden Bund-Länder-Gesprächen sind dann die kleinräumigen, regional-politischen und weiteren raumstrukturellen Auswirkungen der geplanten Maßnahme aufzugreifen.

Die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Erhebung haben gezeigt, daß sich in Abhängigkeit von der Trassenführung und der Lage der Gemeinden zum nächsten Autobahnanschluß Zonen unterschiedlicher räumlicher Entwicklungen und unterschiedlicher Verhaltensweisen privater Haushalte abgrenzen lassen. Die in den Entfernungszonen aufgezeigten Entwicklungsprozesse rechtfertigen nachträglich die getroffene Abgrenzung. Es wurde deutlich, daß die Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung eng mit den Erreichbarkeitsbedingungen der in den Verdichtungsräumen gelegenen Arbeitsplätze zusammenhängt. Es ließ sich auch eine Distanzschwelle erkennen, ab der keine oder nur noch geringe Wirkungen der Autobahn auf die räumliche Entwicklung festzustellen sind. Die Sogeffekte der Verdichtungsräume sind eher gering zu veranschlagen. Aus den Ergebnissen der verhaltensorientierten Analyse können auch langfristig keine negativen Auswirkungen auf die Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung abgeleitet werden.

Ein weiterer Ausbaubedarf läßt sich weniger aus der großräumigen Funktion einer Autobahn, als aus der Nahverkehrsfunktion für die privaten Haushalte herleiten. Zukünftige Neu- und Ausbaumaßnahmen der Fernstraßen werden daher – unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit der Maßnahme – an der Nahverkehrsfunktion der Fernstraße auszurichten sein. Dabei werden die zu erwartenden Auswirkungen auf das räumliche Verhalten privater Haushalte von entscheidender Bedeutung sein, als der Beitrag des Fernstraßenbaus zur großräumigen Umverteilung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen.