Mainzer Geographische Studien, Heft 5

Lücke, Hartmut: Ostkorsika - Untersuchungen zum Kulturlandschaftswandel einer insularen Region

Das Anliegen dieser Untersuchung ist es, in Ostkorsika kulturlandschaftsprägende Wandlungen während bestimmter Epochen zu verfolgen. Dabei werden querschnittsmäßig die Besonderheiten der mittelalterlichen, neuzeitlichen und gegenwärtigen Kulturlandschaftsgestaltung aufgezeigt.
Bei der Darstellung der kulturlandschaftlichen Wandlung spielt die naturräumliche Gliederung Ostkorsikas in Küstentiefland, Vorbergzone und Bergland eine entscheidende Rolle. Im insularen Rahmen kommt die Sonderstellung des Untersuchungsgebietes in zwei verhältnismäßig ausgedehnten Schwemmlandebenen zum Ausdruck, die sich vor allem in landwirtschaftlicher und siedlungsmäßiger Hinsicht durch einen wiederholten Wechsel in ihrer Bewertung als Gunst- bzw. Ungunsträume auszeichnen.
Nach Klima, Böden und Vegetation gehört Ostkorsika zwar dem zentralmediterranen Raum an, für die agrar-, vieh- und waldwirtschaftliche Nutzung hat jedoch das Zusammenwirken dieser Geofaktoren in seinem Landschaftshaushalt unterschiedliche Wertigkeiten geschaffen. Wenn sich die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen auch ausgeglichener und die Winter deutlich milder als auf dem Kontinent zeigen, so muß insbesondere der sommerlichen Trockenperiode in Bezug auf die agrarische Nutzung eine entscheidende Bedeutung zugemessen werden. Die natürliche Vegetation, bei der die Pflanzenformation der Macchie mit verschiedenen Degradationstypen eine dominierende Stellung einnimmt, fällt durch besondere Formen der Anpassung an die sommerliche Aridität auf.

In der Antike ist das Küstentiefland durch zwei Kolonien und eine Anzahl von Stützpunkten besiedelt und wird im Bereich der Unterläufe von Golo und Tavignano von römischen Kolonisten ackerbaulich genutzt. Mit Beginn der Sarazenenherrschaft veröden dort Wohnplätze und landwirtschaftliche Nutzflächen. Binnen kurzer Zeit versumpfen große Teile der Küstenebenen. Als Folge tritt die Malaria auf, die hier bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts endemisch bleibt. Soweit höher gelegene Abschnitte innerhalb des Tieflandes noch agrarisch genutzt werden können, geschieht dies in der Form einer extensiven Fernbewirtschaftung. Die meisten der ehemaligen Küstenbewohner haben sich an alte Siedlungsplätze im Bergland zurückgezogen oder sich neu in der benachbarten Vorbergzone angesiedelt. Auf Grund der veränderten Siedlungs- und Wirtschaftsverhältnisse kann erstmals eine kulturgeographische Grenze zwischen dem Küstentiefland und den höhergelegenen Randlandschaften nachgewiesen werden.

Von den Kolonisationsträgern des Mittelalters ist es eigentlich nur den Genuesen gelungen, das Ackerland innerhalb der Küstenebenen auszudehnen und dort die Siedlungstätigkeit zu erneuern. Sie haben ihre agrarische Inwertsetzung zunächst durch die Errichtung von Lehnsgütern und mit der Ansiedlung von ligurischen Kolonisten versucht. Als diesem Unternehmen auf die Dauer jedoch kein Erfolg beschieden war, haben sie die Agrarkolonisation durch die Vergabe von Pachtrechten an autochthone Landwirte fortgeführt. In den ostkorsischen Höhengebieten hat der von Genua initiierte und gelenkte Anbau verschiedener Fruchtbaumkulturen Strukturveränderungen in der einheimischen Landnutzung mit sich gebracht. Im küstenfernen Agrarlandschaftsbild spiegeln sich die außenkolonisatorischen Maßnahmen in ausgedehnten Edelkastanien- und Olivenarealen wider.
Zu binnenkolonisatorischen Eingriffen mit Veränderungen im Siedlungs- und Agrarlandschaftsbild ist es dagegen von seiten der Kirche und verschiedenen Feudalherrschaften gekommen. Die Perioden ihrer Einflussnahmen mit Schwerpunkten in der Castagniccia und ihren Nachbarräumen bilden frühe kulturlandschaftliche Ausbauzeiten. Tiefgreifende und dauerhafte Kulturlandschaftsveränderungen werden in der Zeit von der Antike bis ins späte Mittelalter ausschließlich durch Kräfte einer Kolonisation von außen verursacht, deren Träger von der italienischen Gegenküste stammen. Die Bildung zweier unterschiedlich strukturierter Agrarlandschaften, den Kolonisationsgebieten der Tiefebenen mit vorherrschendem Getreideanbau und den durch die einheimische Bevölkerung vornehmlich mit Fruchtbaumkulturen genutzten Höhengebieten, bilden das wesentliche Merkmal des mittelalterlichen Kulturlandschaftsgefüges.
Als im Jahre 1768 die Insel französisches Departement wird, sehen sich die neuzeitlichen Bewohner Ostkorsikas der Anpassung ihrer spezifischen Lebens- und Wirtschaftsformen an die kontinentalfranzösischen Verhältnisse gegenübergestellt. Im Zuge seiner Integration ist insbesondere das Problem der Insularität zum Tragen gekommen. Korsikas Insellage wirkte sich zum einen hemmend auf die außenwirtschaftlichen Beziehungen aus, zum anderen hatte die natürliche Isolation die Konservierung überkommener Formen vornehmlich in der Landwirtschaft zur Folge, was in dem die autarke Wirtschaft kennzeichnenden "agro-pastoralen" Gleichgewicht zum Ausdruck kam. Die Auswertung des "Plan terrier de la Corse" hat gezeigt, in welcher Weise die neuzeitlichen Agrarlandschaftselemente in den einzelnen Höhenstufen zu Nutzlandtypen zusammentraten. Schließlich beharrte die Bevölkerung am Ende der Neuzeit in einer bäuerlich geprägten Kulturtradition. Drei Landwirtschaftsformationen, welche die damaligen Lebens- und Wirtschaftsformen bestimmten, spiegelten die an den natürlichen Gegebenheiten orientierten Strukturen der neuzeitlichen Landnutzung wider.

Ein Vergleich der Kulturlandschaftsverhältnisse nach dem 2. Weltkrieg mit denen des 18. Jahrhunderts ergibt regionale Veränderungen bei den Siedlungsformen, den demographischen Gegebenheiten und der landwirtschaftlichen Nutzung. Hier ist es vor allem das Küstentiefland, in dem seit dem Jahre 1943 die Wiederbesiedlung ansetzten kann. Sie tritt in der Form von Straßendörfern, Einödhöfen und im Ausbau der bestehenden Tochtersiedlungen in Erscheinung. Die Umwandlung von ehemals nur jahreszeitlich genutzten Wohnplätzen in Dauersiedlungen gehört zu den auffälligsten Erscheinungen der veränderten Siedlungsstruktur in den beiden Küstenebenen. Mit der Schaffung neuer Siedlungsverhältnisse sind Wandlungen in der Bevölkerungsverteilung verbunden. Gegenüber der Neuzeit werden demographische Veränderungen durch eine Binnenwanderung nach Bastia und durch Emigration auf das französische Festland und nach Übersee verursacht. Daran sind die ländliche und städtische Bevölkerung gleichermaßen beteiligt. Insbesondere in den küstenfernen Gebieten hat die Landflucht der aktiven Bevölkerungsgruppe zur Bildung von partiellen, stellenweise totalen Orts- und Flurwüstungen geführt. Seit dem ist nicht nur die landwirtschaftliche Nutzfläche im Untersuchungsgebiet in steter Abnahme begriffen, sondern auch ihre Bewirtschaftung hat zunehmend eine extensive Form angenommen. Schließlich sind die überkommenen Landwirtschaftsformationen vor Beginn der Inwertsetzung der Tiefebenen durch die veränderten Verhaltensweisen ihrer Träger einem Wandlungsprozeß unterlegen, der sich vornehmlich bei den agrarischen Formationen durch umfassende Schrumpfungsvorgänge äußert.
Die Zielsetzungen der verbliebenen Landbevölkerung besteht im wesentlichen nur noch darin, durch Bestellung weniger Parzellen die Versorgung der erheblich verkleinerten Familien sicherzustellen. Es wird dabei ein gemischter Anbau gepflegt, bei dem auf siedlungsnahen Terrassenfeldern unter verschiedenen Kern- und Steinobstbäumen einjährige Nutzpflanzen gartenmäßig gezogen werden. Bei jener Subsistenzwirtschaft erfolgt also die Bodennutzung über die Verknüpfung eines Dauernutzungssystems mit einem Nutzungswechsel. Diese überlieferte Form der "polyculture familiale" verbindet sich mit Zwerg- und Kleinstbesitz und ist als neuzeitliches Relikt in Familienbetrieben der geschlossenen Siedlungen innerhalb der küstenfernen Höhengebiete erhalten geblieben.
Von der Auflösung und der Extensivierung der agraren Bodennutzung kann hingegen die Formation der Kleinviehhalter profitieren. Das äußert sich vor allem im Ausbau der Schafweidewirtschaft unter festländischer Einflussnahme seit 1893. Sie unterliegt der auf ganz Korsika üblichen Herdenhaltung, die im Untersuchungsgebiet nicht nur auf den vorgegebenen klimatischen und orographischen Bedingungen, sondern auch auf den politischen Verhältnissen des Frühmittelalters beruht und als Form der doppelten Transhumance ausgebildet ist. Die ökonomische Bedeutung der Schafhaltung gründet sich auf den gesicherten Absatzmöglichkeiten bei der "Société Roquefort", die einerseits den Fortbestand dieses traditionsreichen Wirtschaftszweiges garantiert und andererseits zur räumlichen Ausweitung in ehemals agrarisch genutzte Tieflandgebiete und zur produktionsmäßigen Intensivierung jener althergebrachten Landwirtschaftsformation beitragen kann. In dieser Epoche des Verfalls bildet die transhumante Schafzucht die einzige marktorientierte Wirtschaftsform.

Mit Ankunft der ersten "rapatriés" und der Gründung der "Société pour la mise an valeur agricole de la Corse" im Jahre 1957 erfolgt im Rahmen der jüngsten binnenkolonisatorischen Maßnahmen die Verlagerung des kulturlandschaftlichen Schwergewichts von den ostkorsischen Höhengebieten ins Küstentiefland binnen weniger Jahre. Durch die Erschließung von ungenutztem Gemeindeland und Bonifikationen von Privatland ist es hier zu einem bisher nicht gekannten landschaftlichen Umbruch gekommen. Der Bau von Stauseen im Inselinnern, eines ausgedehnten Kanalnetzes und zahlreichen Reservebecken im Tiefland des Untersuchungsgebietes und die Errichtung von Druckanlagen, welche die Beregnung oder die Berieselung der neuen landwirtschaftlichen Nutzflächen erlauben, stellen die Grundlagen für den Aufbau einer modernen Landwirtschaft dar. Darüber hinaus erfolgen ständig neue infrastrukturelle Erschließungsarbeiten wie Urbarmachungen, Errichtung neuer Hofstellen und Straßenbaumaßnahmen. Erste Resultate der jungen Inwertsetzung innerhalb der verschiedenen Erschließungssektoren des Tieflandes zeichnen sich zwar in der Bereitstellung neuer Hofstellen auf arrondierten Betriebsflächen und im Anbau von Sonderkulturen ab. Dennoch sind trotz subsidiärer Bewässerung mit Hilfe von Reservebecken, Pumpstationen und fahrbarer Motorpumpen an den wasserführenden Flüssen bis 1970 nicht alle "périmètres" mit Nutzwasser versorgt. Darin ist letztlich die Ursache für die auffällige Verbreitung des Weinbaus zu suchen. Rebland bildet heute in den Erschließungssektoren der Ebene von Bastia und von Aleria den dominierenden Nutzlandtyp. Im Unterschied zur traditionellen Rebkultur der Höhengebiete gründet sich der feldmäßige Weinbau des Tieflandes auf der Initiativleistung der eingewanderten "colons". Seine rasche Ausbreitung als betriebliche Monokultur erfolgt in einem Innovationsprozeß. Die von staatlicher Seite geplante flächensukzessive Nachfolge von Obst- und Agrumenkulturen auf den Weinbau bei Anschluß von Betriebsflächen an das lokale Bewässerungsnetz konnte bislang vornehmlich aus finanziellen Erwäggründen nur in etwa dreißig Prozent aller neuen Betriebe erfolgen. Nach Fertigstellung aller Erschließungsvorhaben sollen jedoch zwei unterschiedlich strukturierte Nutzgebiete innerhalb des ostkorsischen Tieflandes entstehen. Die küstennahen Abschnitte der Ebene sind dabei als geschlossene Zone mit vorherrschendem Bewässerungsfeldbau vorgesehen, in der die Nutzlandtypen Agrumen-, Obst-, Oliven- und Feldgemüseland dominieren werden. Daran soll sich westwärts eine küstenferne Anbauzone anschließen, deren Nutzlandtypen den besonderen Anforderungen des Trockenfeldbaus entsprechen. In diesem leicht hügeligen Tieflandsabschnitt am Übergang zur Vorbergzone bildet heute bereits Rebland den kennzeichnenden Nutzlandtyp.
Die rasch umsichgreifende Ausdehnung agrarischer Nutzflächen vollzieht sich gegenwärtig auf Kosten der traditionellen Winterweidegründe. Die Folge ist eine erhebliche Verringerung des Schafbestandes, ohne dass dieser spezielle Wirtschaftszweig bisher gänzlich zum Erliegen gekommen ist. Angesichts der veränderten Situation in der tiefländischen Bodennutzung hat die Transhumance in Anpassung an die heutigen wirtschaftlichen Anforderungen gewisse Wandlungen erfahren, die zwar nicht das Merkmal einer ganzjährigen Fernweidewirtschaft veränderten, wohl aber Umgestaltungen in der Wirtschaftsweise herbeigeführt haben, so dass als Ergebnis der Einschränkung der extensiven Form von einer intensivierten Transhumance gesprochen werden kann. Dies wird in der fortschreitenden Umstellung der ehemaligen Dauergrünlandnutzung auf moderne Formen der Futterbauwirtschaft deutlich. Man ist augenblicklich bemüht, vornehmlich durch eine Intensivierung der Futterbasis diesen für Ostkorsika so charakteristischen Wirtschaftszweig einer erneuten Blüte zuzuführen. Bescheidene Ertragssteigerungen können trotz abnehmender Herdenzahl als Hinweis dafür gewertet werden, dass bei einigen Herden die Maßnahmen einer intensiveren Wirtschaftsweise zumindest im Bereich der noch bestehenden ostkorsischen Winterweidegebiete zu Teilerfolgen geführt haben. Auf den traditionellen Sommerweiden der Höhengebiete wird hingegen der Rückgang der Weidenutzung in zahlreichen verlassenen und inzwischen verfallenen Schäfereien besonders spürbar.
Zieht man die durch die SOMIVAC heute vertretene Auffassung heran, dass die korsische Transhumance weniger durch Boden und Klima als vielmehr durch das Vorhandensein von Weideland charakterisiert wird, so scheint im Falle der Beibehaltung dieser traditionellen Wirtschaftsform die Zukunft der Wanderherden besonders im ostkorsischen Tiefland bedroht zu sein, da weitere agrarische Erschließungen der bisherigen Tieflandsweidegebiete nicht ausbleiben werden. Zwar schließen die Bonifikationsprogramme die Transhumance nicht grundsätzlich aus, es stellt sich jedoch die Frage, in welcher Form die Eingliederung der heutigen "semi-extensiven" Fernweidewirtschaft in die künftige tiefländische Wirtschaftslandschaft erfolgen kann. Eine Antwort darauf zu geben, wird erst nach vollständigem Anschluß aller Bewässerungsprojekte möglich sein.

In agrarischer Hinsicht steht es dagegen bereits heute außer Zweifel, daß es trotz einer komplizierten sozialökonomischen Ausgangssituation innerhalb von etwa zwei Jahrzehnten gelungen ist, große Teile des ostkorsischen Küstentieflandes in eine Agrarlandschaft mit neuen Strukturen umzuwandeln. Dabei fällt zunächst das Flurbild ins Auge, welches sich in Folge von Meliorationen und Eigentumsverschiebungen durch junge Planformen auszeichnet. Ferner zeigen die zum größten Teil auf den Markt ausgerichteten, in den ostkorsischen "périmètres" gewonnenen Agrarprodukte Ansätze, sich nicht nur im insularen Rahmen sondern auch in außerinsularen Bereichen zu behaupten. Schließlich finden zunehmend Landarbeiter aus Nordafrika in den neuen Betrieben Anstellung. Weiterverarbeitende Industriebetriebe haben sich in der Nähe vonBastia angesiedelt. Die veränderten Wirtschaftsverhältnisse haben letztlich auch Handel, Transport und Verkehr in Fluß geraten lassen.
Mittlerweile ist es durch Überschichtung der bisherigen landbewirtschaftenden einheimischen Sozialgruppen durch die Rückwanderer aus den ehemaligen nordafrikanischen Kolonien zur Verdrängung und zum Teil zur Ablösung der traditionellen Landwirtschaftsformationen gekommen, weil den natürlichen Faktoren vor allem in ostkorsischen Küstentiefland andersartige Wertgehalte zuerteilt worden sind.
Durch die Einführung agrartechnischer Neuerungen, durch das Auftreten der aktiven Sozialgruppe der "pieds noirs" und durch die Erweiterung des Agrarmarktes über den insularen Rahmen hinaus haben sich schließlich die Betriebsformen, Produktionsziele und Intensitätsgrade soweit gewandelt, dass eine neue Landwirtschaftsform entstehen konnte, deren wesentliches Merkmal der Anbau von marktorientierten Sonderkulturen darstellt. Entsprechend der betrieblichen Dominanz bestimmter Sonderkulturen konnte zwischen den Typen der Obst- und Agrumenformation, der Weinbauformation und der Intensivgemüsebauformation unterschieden werden.

Neben der Bildung neuer ländlicher Mittelpunktsiedlungen hat die tiefländische Inwertsetzung die Entstehung neuer bäuerlicher Haus- und Gehöftformen gefördert. Darüber hinaus kommt es in zunehmendem Umfang, bedingt durch die Initiative fortschrittlich gesinnter einheimischer Korsen, zu Aussiedlungen aus den küstenfernen Wohnplätzen sowohl des Berglandes als auch der Vorbergzone in die Entschließungssektoren des Tieflandes.

Schließlich bilden die zum Teil noch im Stadium der Planung oder Errichtung befindlichen Touristenzentren die Standorte des sich im Litoralbereich entwickelnden Fremdenverkehrs. Dieser ist inzwischen auch innerhalb Ostkorsikas als Folge des organisierten Reisewesens und des Ausbaus von Bastias Flughafen zu einer Massenerscheinung geworden. Erste Resultate sind die Anlage von städtisch geprägten Fremdenverkehrssiedlungen, sog. Urbanisationen, die Schaffung von Bungalowdörfern und Campingplätzen in unmittelbarer Strandnähe und der Ausbau von Zubringerwegen zwischen dem Strandbereich und den Nationalstraßen 193 und 198. Dadurch hat ein Landschaftsabschnitt, der bis vor kurzem kaum eine lohnende Nutzung versprach, heute zwar einen neuen wirtschaftlichen Wert erlangt, gleichzeitig erweisen sich jedoch außer einem Spekulationsboom bei strandnahem Grundbesitz die mangelnde Organisation und Kooperation in der Planung des solchermaßen aufgewerteten Küstenstreifens nicht gerade förderlich für den hier gerade erst einsetzenden Badetourismus. Dennoch bildet der bis 1957 in fremdenverkehrsmäßiger Hinsicht noch peripher gelegene Küstensaum Ostkorsikas mittlerweile in der Sommersaison ein bedeutendes Zielgebiet ausländischer und kontinentalfranzösischer Touristen. Die küstenfernen Abschnitte des Untersuchungsgebietes stellen dagegen äußerst schwach entwickelte Fremdenverkehrsregionen dar, in denen der Sommerfrischeverkehr gebürtiger Korsen vorherrscht. Mit seinen bisherigen Einrichtungen, bei denen das Hotelwesen im Vergleich zu anderen Mittelmeergebieten bislang nur geringfügige Verbesserungen erfahren hat, ist der Fremdenverkehr nicht in der Lage, größeren Gruppen der ostkorsischen Bevölkerung eine wirtschaftliche Basis zu bieten.

In den jungen Wandlungen der Kulturlandschaft im Tieflandsbereich Ostkorsikas liegt eine geographisch wichtige Aussage nicht nur in dem quantitativen Ausmaß der Veränderungen, sondern in der Ablösung einer auf langer Tradition beruhenden kulturlandschaftlichen Ordnung, die durch das Entstehen neuer Denk-, Lebens- und Wirtschaftsformen hervorgerufen wurde. Im Gegensatz dazu stellen die ostkorsischen Höhengebiete Beharrungsräume dar, die sich durch gegenseitige, wirtschaftliche und agrarsoziale Grenzen von den benachbarten Kolonisationsgebieten abheben. Gegenwärtig ist bei der konservativ eingestellten Bewohnerschaft jener Gebiete das Überkommene noch derart beherrschend, dass sich dies in vielfacher Weise als belastendes historisches Erbe auswirkt.
Es bestehen jedoch Pläne, auch die küstenfernen Räume Ostkorsikas im Sinne von wirtschaftlichen Ergänzungsräumen nach Abschluß der Tieflandserschließung einer intensiveren Bodennutzung zu unterwerfen, das dortige Siedlungswesen durch die Schaffung neuer Funktionen im Rahmen des Fremdenverkehrs zu beleben und jene Gebiete verkehrsmäßig besser zu erschließen. Dabei ist beabsichtigt, zunächst in der zwischen 200 m und 600 m gelegenen Vorbergzone die traditionsreiche Olivenkultur zu intensivieren und zusätzlich Anpflanzungen verschiedener Kern- und Steinobstsorten, insbesondere Aprikosen, Mandeln und Haselnüsse, durchzuführen. In der darüber gelegenen Kastanienzone sind forstliche Maßnahmen mit dem Ziel, insbesondere nutzholzliefernde Baumarten anzupflanzen, geplant.
Da die bislang gepflegte, extensive Großviehhaltung mit freiem Weidegang in Wald und Macchie aus Rentabilitätsgründen nicht fortbestehen soll, werden in verschiedenen Hochtälern des Berglandes ertragreiche Wiesen für eine stationäre Rinderhaltung angelegt. Eine Versuchsstation hat mit der Suche nach geeigneten Rassen und viehwirtschaftlichen Betriebsformen bereits begonnen.
Insgesamt haben die entsprechenden Programme das Ziel, das menschliche Dasein in den ostkorsischen Höhengebieten zu erhalten. Dafür bildet allerdings eine in sich ausgewogene und wirtschaftlich gesicherte Bevölkerung die notwendige Voraussetzung, die in den meisten Berglandgemeinden heute jedoch nicht gegeben ist. In der angestrebten Belebung des Gebirgstourismus in Verbindung mit der Einrichtung eines gesamtinsularen Naturparks kann möglicherweise der Anfang gesehen werden, in bestimmten Abschnitten des ostkorsischen Berglandes demographische Gegengewichte zu den benachbarten Küstenzentren im Sinne einer neuen Kräftekonstellation zu schaffen.

Trotz einer Anzahl sichtbarer Erfolge bei der kulturlandschaftlichen Umgestaltung des Tieflandes und verschiedener Programme zur Bonifikation der Höhengebiete leidet der ostkorsische Produktionsraum bislang noch unter einer unzureichenden Vermarktung. Dabei macht sich weiterhin die Insularität bemerkbar, die räumlich und zeitlich verlängerte Transportwege und die Benutzung verschiedener Transportmittel bedingt. Hinzu kommt, dass außer im Weinbau keine nennenswerten kooperativen Zusammenschlüsse bestehen, so dass der Handel mit Agrarprodukten aus Ostkorsika bisher außerordentlich aufgesplittert und das Preisniveau entsprechend niedrig geblieben ist. Selbst die neuen landwirtschaftlichen Verarbeitungsindustrien, die als einzige echte Rohstoffbasen im Untersuchungsgebiet vorfinden, haben nur lokale Bedeutung.
Bei aller Vorsicht aus der Kenntnis des ostkorsischen Raumes und den dort gegenwärtig herrschenden Lebens- und Wirtschaftsformen wurde versucht, spezifische Entwicklungsmöglichkeiten, Planvorstellungen und bereits erreichte Ziele aufzuzeigen. Wer heute durch die tiefländischen Erschließungsgebiete reist, spürt geradezu die Dynamik der landschaftsverändernden Kräfte und hofft auf ihre künftige Wirksamkeit nicht nur für Ostkorsika, sondern für die gesamte Insel.