Mainzer Geographische Studien, Heft 7:

Hein, Ekkehard: Zentralörtliche Gliederung und regionale Schulplanung. Eine Untersuchung in der Planungsregion Rheinhessen.

 

Zusammenfassende Schlußbetrachtung

Die vorliegende Untersuchung greift ein Problem der regionalen Planung im Gebiet der Region Rheinhessen auf. An der zukünftigen Entwicklung des Schulwesens konnten unter bestimmten Annahmen die Auswirkungen auf die Zentrale-Orte-Konzeption und deren Interdependenz abgeleitet werden.

In der Planungsregion Rheinhessen konnte durch eine quantitative Bewertung der Ausstattung mit relativ seltenen Versorgungseinrichtungen ein Netz von 23 zentralen Orten (inclusive Selbtversorgergemeinden) ermittelt werden, von denen sich einige als sich ergänzende Doppelzentren darstellen. Unter Einbeziehung der Versorgerfunktion für das Umland wurden die jeweiligen Versorgungsnahbereiche ausgegliedert. Die zentralörtliche Gliederung wurde der Schulplanung als räumlicher Bezugsrahmen unterlegt.

Nach der Beschreibung des pädagogischen und bildungspolitischen Zielrahmens konnten in einer Analyse der regionalen Schulsituation noch erhebliche räumliche Disparitäten nachgewiesen werden. Die noch sehr unterschiedliche Bildungsbeteiligung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, von denen fehlende Realschulen, Verkehrsferne und soziale Unterschicht sich in Rheinhessen am stärksten hemmend auswirken. Auf der Ebene der Nahbereiche als potentieller Schulbereiche konnte eine Prognose des regionalen Schüleraufkommens vorgelegt werden. Je nach Schulorganisationsform erscheinen aufgrund der Prognose 14 - 15 eigene Schulbereiche für den Sekundarbereich der Klassen 5 - 10 in ihrem zahlenmäßigen Schulbereichen bis 1985 gesichert, d. h. von den bisherigen Schulbereichen werden unter den angenommenen Voraussetzungen 8 - 9 nicht mehr eine eigene Sekundarschule halten können, wenn nicht die Orientierungsstufe verselbständigt wird.

Der Schulstandort innerhalb eines Nahbereiches ist durch gegenseitig abhängige Variablen an das Zentrum gebunden, um eine ökonomische Mehrfachnutzung zu ermöglichen. Eine disperse Verteilung der Infrastruktur würde erwünschte Kopplungseffekte verhindern. Das gilt für zentrale Orte unterer Stufe (Unter- und Kleinzentren) stärker als für höhere Zentren (M. BEUCHEL, 1972, S. 133). Nur die gutausgestatteten zentralen Orte sind auch in den kommenden Jahrzehnten in der Lage, für funktionsgerechte zukunftsorientierte Schulzentren der Sekundarstufe bei optimalen Nutzungsmöglichkeiten und günstiger städtebaulicher Einbindung in die Gesamtsituation die Voraussetzungen und Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.

Bei noch vertretbarer kleinstmöglicher Gliederung und größtmöglicher organisatorischer Dezentralisierung scheinen fünf Kleinzentren (Bacharach, Stromberg, Flonheim, Gau-Odernheim und Monsheim) bis zum Jahre 1985 als Standorte für Sekundarschulen nicht mehr in Frage zu kommen. Bei vertikaler Schulorganisation werden vier weitere potentielle Hauptschulbereiche (mit evtl. Standorten Gau-Algesheim, Budenheim oder Heidesheim, Guntersblum oder Eich, Osthofen oder Westhofen) für eine Hauptschule nicht mehr genügend Schüler aufbringen. Bei horizontaler Schulorganisation hingegen wäre zwar noch im Nahbereich Gau-Algesheim eine 5 -6zügige Sekundarstufe I möglich, aber drei weitere Nahbereiche könnten auch nur noch alternativ einen Standort einer Sekundarstufe I tragen (Budenheim oder Heidesheim, Guntersblum oder Eich, Osthofen oder Westhofen). Das bedeutet, daß fast die Hälfte der Kleinzentren bis 1985 keine Sekundarschule besitzen wird. Die übrigen Kleinzentren bzw. Selbstversorgergemeinden und insbesondere die Unterzentren weren durch die Zentralisierung des Schulwesens bis zum Jahre 1985 einen deutlichen Bedeutungszuwachs erhalten. Die Unterzentren werden im vertikalen Schulsystem künftig Standorte von Realschulen, evtl. auch von Gymnasien sein und dadurch auch eine qualitative Aufwertung erfahren.

Die Bedeutung der Mittel- und Oberzentren als schulische Zentren könnte sich je nach Schulorganisation insbesondere durch zunehmende Schülerzahlen in der Studienstufe bzw. Sekundarstufe II noch weiter erhöhen.

Die Auflösung der kleineren Hauptschulen, interpretiert als Funktionsverlust für die bisherigen Schulstandorte, bedeutet für die ohnehin nicht aufwendig ausgestatteten Kleinzentren einen erheblichen Verlust an zentralörtlichem Einfluß auf die Umlandgemeinden, führt aber in der Region Rheinhessen nicht generell zu Auflösung der untersten Stufe der zentralen Orte. Von einem Bedeutungsverlust im schulischen Sektor sind vielmehr nur jene Kleinzentren in Rheinhessen bedroht, bei denen im Nahbereich je nach Altersstruktur und Wanderungsverhalten bis zum Jahre 1985 ca. 10 - 12 000 Einwohner nicht erreicht sein werden. In allen anderen Zentralen Orten wird die Schule künftig als kulturelles Zentrum den Ausstattungswert positiv beeinflussen und den Attraktionswert für die umliegenden Gemeinden erhöhen. Dadurch werden auch gute Standortbedingungen für Industrie- oder Gewerbebetriebe geschaffen und damit günstige strukturelle Verbesserungen induziert.

Mögliche Veränderungen im Schulwesen entbinden nicht von der Verpflichtung, jede Planung an vorher fixierten mittelfristigen regionalen Zielvorstellungen zu orientieren und ihre Auswirkungen zu prüfen. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden und eine gute Erreichbarkeit und mögliche Mehrfachnutzung schulischer Einrichtungen in der Planungsregion Rheinhessen zu gewährleisten, sind nur die zentralen Orte optimal als Schulstandorte geeignet.

Langfristig erscheint jedoch entgegen dem derzeitigen Trend beispielsweise durch neue technische Entwicklungen eine wiederum stärkere Dekonzentration nicht ausgeschlossen.