Mainzer Geographische Studien, Heft 32:

Amend, Thora: Marine und litorale Nationalparks in Venezuela - Anspruch, Wirklichkeit und Zukunftsperspektiven.

 

Zusammenfassung und Ausblick

Vergleichende Betrachtung der marin-litoralen Nationalparks Venezuelas

Die untersuchten Nationalparks liegen ausnahmslos im tropisch-karibischen Küstenbereich (10° - 12° nördl. Breite, 64° - 70° westl. Länge). Vergleicht man das geomorphologische Erscheinungsbild, die Fauna und Flora der einzelnen Schutzgebiete, so zeigen sich trotz des relativ ähnlichen Naturraumes der Küsten zahlreiche Unterschiede. Während die Inseln des Archipels Los Roques vom offenen Meer umspült werden, verfügen die Nationalparks der Küstenlagunen von Tacarigua und Restinga nur über sehr schmale Meeressäume im Transitionsbereich zum festländischen Litoral. In Mochima bestimmen steile Felsabbrüche weite Strecken einer Riasküste, während die Küstenlagunen eine klassische Erscheinungsform der Ausgleichsküsten sind. Im Nationalpark Médanos de Coro beansprucht das Delta des Río Mitare jedes Jahr größere Flächen des flachen, hypersalinen Golfete.

Die geringste biotische Artenvielfalt trifft man in Coro an. Die widrigen terrestrischen Lebensbedingungen ließen die Adaption nur weniger Tier- und Pflanzenarten auf dem Lande zu. Wird die von INPARQUES angestrebte Parkerweiterung rechtskräftig, so erhielte der Nationalpark mit dem Golfete de Coro einen auch in biotischer Hinsicht wichtigen Zugewinn: In diesem Flachwasserbereich finden Tausende von Jungfischen und –garnelen ein Aufzuchtgebiet; Küstenkaimane und Flamingos sind in den nördlichen Mangrovengebieten des Golfete heimisch. Durch die Einbeziehung dieser Gebiete würde der von zahlreichen Fachleuten wegen seiner Artenarmut als fragwürdig kritisierte Nationalpark eine unbestreitbare Relevanz als Naturschutzgebiet erlangen – nicht nur als "Schutzgebiet von einem Haufen Sand", wie er polemisch von einigen Wissenschaftlern tituliert wird.

Der Nationalpark Morrocoy ist bekannt für seine weitläufigen Mangrovenareale, die die Bucht des nördlichen Golfo Triste gliedern, und für die Vielfalt seiner Korallenriffe, in denen hunderte von unterschiedlichsten Lebewesen heimisch sind. Neben einer herausragend schönen Landschaft, die neben den Inseln, Lagunen und Salinen auch den von Höhlen durchsetzten, aus Kalkgestein bestehenden Cerro Chichiriviche umfaßt, rechtfertigen besonders die Avifauna und die marine Lebewelt die Ausweisung des Gebietes zum Nationalpark. Sie lassen strenge Schutzbestimmungen der Vogelbrutgebiete und der Zonen störanfälliger Ökosysteme wünschenswert erscheinen.

Die Lagunen ‘de Tacarigua‘ und ‘de la Restinga‘ verfügen als Strandseen mit wechselndem Salzgehalt des Wassers und hohen Sedimenteinschwemmungen über große Mangrovenareale, in denen zahlreiche Vögel brüten. In Tacarigua gibt es in den abgelegenen Zuflüssen der Ca?os San Nicolas und Pirital noch vereinzelte Bestände von Küstenkaimanen; in Restinga wurden sie bereits ausgerottet. Der lange Strand, der als Sandbarre Meer und Lagune trennt, ist in beiden Nationalparks bevorzugtes Eiablagegebiet verschiedener Arten von Meeresschildkröten. Im Westen der flachen Akkumulationsküste von Restinga wurden in den Nationalpark felsige Steilküsten einbezogen, an denen große Vogelkolonien heimisch sind. Die Lagunen sind die letzten noch weitgehend intakten Küstenlagunen, die mit ihren mixohalinen, warmen Wassern und dem Nährstoffreichtum ihrer mangrovengesäumten Gewässer einen wichtigen Stellenwert im Lebenszyklus vieler mariner Lebewesen haben. Ihre Ausweisung als Nationalpark ist daher sehr berechtigt, auch wenn sie sich erstmaligen Besuchern zunächst nicht so beeindruckend wie andere Nationalparks darstellen mögen.

Die vielfältige Insellandschaft Mochimas birgt große landschaftliche Reize. In den mehrere Kilometer in das Hinterland reichenden Buchten findet man in kleinräumigem Wechsel alle fünf Ökosysteme, die als ‘klassisch‘ für die tropischen Küsten beschrieben wurden. Mochima hebt sich von den anderen Nationalparks des venezolanischen Litorals durch ein weitflächiges, stark reliefiertes Hinterland ab, dessen Ökosysteme ausschließlich terrestrischer Natur sind.

Im Archipel von Los Roques hat das Zusammenwirken der Ökosysteme Korallen, Mangroven und untermeerische Phanerogamen aus der Inselgruppe eine Oase im relativ sterilen, nährstoffarmen Meer der Umgebung gemacht. Auch für den Laien und Hobbytaucher ist durch die Buntheit und Artenvielfalt ein Teil des biotisch herausragenden Stellenwertes des Archipels innerhalb von Venezuela erkennbar. Von den weltweit als gefährdet geltenden Tierarten sind hier verschiedene Arten von Meeresschildkröten und Flamingos heimisch. Auch als Zwischenlandeplatz für Zugvögel ist die 160 km vor dem Festland liegende Inselgruppe von Bedeutung.

Die Verschiedenartigkeit der geomorphologischen und biotischen Charakteristika der marin- litoralen Nationalparks Venezuelas tritt auf einer Matrix deutlich hervor.

Die ländliche Bevölkerung im Nationalpark der Restinga lebt ebenfalls vom Fischfang, der extensiven Viehzucht und kleinen Landbauflächen, die für den täglichen Bedarf bestellt werden. Von zentraler Bedeutung sind für die Ansässigen die Beförderung und das Geschäft mit Touristen. Während im Nationalpark der Restinga lediglich etwa 180 Menschen leben, schätzt die Nationalparkbehörde die Anzahl der Siedler in Mochima auf über 20.000. Am Meeressaum gibt es in Mochima kleine, geschlossene Fischerdörfer; im gebirgigen Hinterland dominieren Einzelsiedlungen inmitten großer Rodungsflächen. Neben unkontrollierter Abholzung und Wilderei machen der Nationalparkbehörde in diesem problematischen Schutzgebiet die Abwässer der nahen Ballungs- und Industriezentren Cumaná, Pto. La Cruz und Barcelona zu schaffen. Die ablehnende Haltung der Einwohner gegenüber der Naturschutzbehörde sowie ein aggressiv die schönsten Strandbereiche okkupierender Tourismus erschweren die Arbeit zusätzlich.

Im Nationalpark von Coro lebt die Bevölkerung vom Fischfang und der extensiven Viehzucht. Mehr als 1700 Menschen haben ihren permanenten Wohnsitz in den kleinen Dörfern oder verstreuten Einzelsiedlungen innerhalb des Parkgebietes. Gefährdungen gehen für den Naturhaushalt besonders von den überregionalen Infrastruktureinrichtungen aus. Eine wichtige Ölpipeline kreuzt biotisch äußerst sensible Schwemmlandbereiche im Delta des Río Mitare; eine Hochspannungsleitung und eine vierspurige Fernstraße durchqueren den Park auf seiner gesamten Länge.

Für die Anwohner Morrocoys, die traditionellerweise vom Landbau und dem Fischfang lebten, ist der Tourismus zur zentralen ökonomischen Aktivität geworden. Weiterhin werden jedoch in den Straßendörfern am Fuße des Cerro Chichiriviche kleine Landparzellen bestellt, und viele der Männer fahren zum Fischen aus, um ihren Familien einen regelmäßigen Unterhalt unabhängig vom Fremdenverkehr zu sichern.

Im Archipel von Los Roques sichert der Fischfang den Bewohnern gute Einkünfte. Während der Monate November bis April verdoppelt sich die Einwohnerzahl: Zu den 600 ganzjährig ansässigen Dorfbewohnern von Gran Roque kommen in der Langustensaison Fischer der Insel Margarita hinzu, die über den Archipel verstreut in einfachen Fischerlagern leben.

Vergleicht man die Charakterisierung des durchschnittlichen Besuchers der marinen und litoralen Nationalparks in Venezuela, so ergibt sich folgendes Bild: In den Médanos de Coro herrscht ein Durchreise- oder ‘Sight-seeing‘ Tourismus vor. Zwar gibt es am nördlichen Ufer des Golfete de Coro in Prudencio eine touristische Ansiedlung (zwanzig Häuser), in denen Ferienhausbesitzer mit ihren Familien sich auch über längere Zeiträume aufhalten, doch ist der Prozentsatz der Besuche dieser Art sehr gering. Die Mehrzahl der Touristen stattet dem Nationalpark lediglich in seinem südlichsten Bereich, den spektakulären Wanderdünen, einen Besuch von kurzer Dauer ab, um die sich unter den stetigen Winden verlagernden, die Straße kreuzenden Dünen zu ersteigen. Viele Parkbesucher sind auf der Durchfahrt zu ihren eigentlichen Urlaubszielen auf der Halbinsel von Paraguaná. Da die einzige Verbindung der Halbinsel mit dem Festland über den Isthmus besteht, ist der Autoverkehr durch den Nationalpark beträchtlich.

Die Besucher des Nationalparks Morrocoy reisen vorwiegend in Gruppen an, um an den Wochenenden auf einer der Inseln oder an den Festlandsstränden zu zelten. Ihr Interesse gilt vornehmlich der Stranderholung mit Aktivitäten wie Baden, Schnorcheln, Grillen oder Sonnenbaden. Immer mehr Besucher kommen auch täglich aus den Hotel- und Clubanlagen der unmittelbaren Parkumgebung in Tucacas und Chichiriviche. Eine besondere Situation entsteht in Morrocoy durch die zahlreichen Yacht- und Sportboothäfen innerhalb des Parkgebietes. Dort liegen neben Segelbooten und Hausbooten motorstarke Rennboote, deren unsachgemäßer Gebrauch von Freizeitkapitänen Gefährdungen für Menschen und Tiere verursacht. Morrocoy gehört zu den meistbesuchten Strandbereichen des Landes. INPARQUES zählt in den Spitzenzeiten wie Ostern oder Karneval bis zu 100.000 Parkbesucher pro Tag.

In der Laguna de Tacarigua hält sich das Gros der Besucher im Bereich des Lagunenausflusses in der Nähe des Dorfes Tacarigua auf. Die lokalen bzw. regionalen Besucher des Barlovento verfügen häufig über nur geringe finanzielle Mittel – ebenso wie die Caraque?os, die die relative Nähe zur Hauptstadt und die Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel für einen Tagesbesuch am langen Sandstrand tacariguas nutzen. Zahreiche finanziell besser gestellte Großstadtbewohner besitzen ein Ferienhaus im Dorf von Tacarigua. Alle diese Besucher haben im allgemeinen nur peripher mit dem Nationalpark zu tun, indem sie den westlichen Strandabschnitt nutzen oder, seltener, eine Bootsfahrt auf der Lagune unternehmen. Innerhalb des Parkgebietes gibt es zeitweilige Besucher, die sich Zimmer im Club Miami mieten, einzelne Camper, die in Zelten, Hängematten oder vierradgetriebenen Wohnmobilen am Strand nächtigen, sowie Hausbesitzer, die über eines der einsam gelegenen Ferienhäuser am Strand oder innerhalb der drei Clubanlagen verfügen.

Im Nationalpark Mochima ergibt sich ein entfernt mit Morrocoy vergleichbares Bild: Durch die küstenparallel verlaufende Autostraße sind viele der Buchten und kleinen Sandstrände mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Sie sind an den Wochenenden und in den Ferienzeiten besonders stark frequentiert, während die nur per Boot zu erreichenden Inselstrände etwas weniger belastet werden. Auch in Mochima ist an bestimmten Stränden ein internationaler Tourismus festzustellen, der von den relativ nahegelegenen Hotelkomplexen in Puerto La Crúz und Cumaná ausgeht. Aus diesen Städten kommen auch zahlreiche Tagesurlauber hinzu, die mit ihren PKW’s die Festlandstrände aufsuchen. Die große Zahl von Ferienhausbesitzern, die aus den litoralen Industriezentren wie auch aus Caracas stammend illegalerweise an den schönsten Stellen innerhalb des Nationalparks Häuser errichtet hat, soll in Kürze ausgesiedelt bzw. ihre Unterkünfte abgerissen werden.

Die Laguna de La Restinga spiegelt von ihren Besuchern her die Belegung der großen Hotelkomplexe der Insel Margarita wider: Viele internationale Touristen, die großteils aus Nordamerika, aber auch aus Europa stammen, suchen ebenso wie venezolanische Familien und Freundesgruppen die Lagune auf. Meist bleiben die Besucher über mehrere Stunden an dem langen Sandstrand, der die Lagune zum Meer hin abriegelt, baden dort und essen in einem der zahlreichen einfachen Strandrestaurants, bevor sie mit den Booten wieder zum Ausgangsort zurückkehren. Diese gutorganisierte Form des Tourismus birgt relativ geringe Gefahren für die Umwelt des Nationalparks und wird auf ihren festgelegten Bootsrouten auch mit größerem Besucherandrang fertig.

Die exklusivste Besuchergruppe trifft man in Los Roques an. Aufgrund der Abgeschiedenheit des Inselarchipels und der mangelnden Verkehrsanbindung ist hier die ökonomische Oberschicht der Flugzeug- und Motoryachtbesitzer nahezu unter sich. Einige von ihnen verfügen über Ferienhäuser auf den Inseln in der Nähe des Gran Roque. Obwohl Besucherspitzen hier unter 1000 Besuchern pro Tag liegen, wird der Nationalpark durch die große Mobilität und die teilweise destruktiven Aktivitäten der Besucher in Mitleidenschaft gezogen. Motoryachten dringen in die strengen Schutzgebiete der Zone 1 ein; ungeübte Sporttaucher beeinträchtigen durch ihr unsachgemäßes Harpunieren die marine Fauna; waghalsige illegale Tiefflüge und Landemanöver von Hobbypiloten gefährden die Avifauna; Abwässer und Müll verschmutzen die strandnahen Gewässer. Dennoch ist der Nationalpark Los Roques im Vergleich zu den anderen Schutzgebieten in Venezuela als relativ gering belastet einzustufen. Dies hängt zum einen mit der geringeren Besucherdichte zusammen, zum anderen aber auch mit dem höheren Bildungsniveau der einzelnen, die sich zumeist über ökologische Zusammenhänge und Schutzbedürftigkeiten durchaus im klaren sind. Auch die relative Überschaubarkeit des abgelegenen Archipels erleichtert die Kontrolle und verhindert so viele schädigende Eingriffe oder illegale Okkupationen durch Touristen.

Die Tabelle 22 stellt generalisierend die Besiedlungen, Infrastrukturen und wirtschaftlichen Nutzungen innerhalb der Nationalparks und in ihrem direkten Umland zusammen. Viele der beschriebenen Nutzungen implizieren Probleme und Konflikte für das Naturschutzgebiet. Eine zweite Tabelle (Tab. 23) faßt die wichtigsten schädigenden Einflüsse der genannten Nutzungen zusammen.

Ausblick

In Venezuela nimmt der Naturschutz im politischen Geschehen einen wichtigen Stellenwert ein. Zahlreiche Reden und Schriften von Politikern, aber auch erlassene Gesetze und Dekrete dokumentieren den hohen Anspruch der Umweltpolitik die sich an internationalen Maßstäben mißt. Als erstes Land Lateinamerikas richtete Venezuela 1977 ein Umweltministerium ein – nahezu ein Jahrzehnt früher als beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland. Annähernd die Hälfte der Landesfläche steht als Schutzgebiete verschiedener Kategorien (ABRAE) unter besonderer Verwaltung und ist von der freien Erschließung ausgenommen. 9,3 % des Landes werden als Nationalparks verwaltet.

Einem weltweiten Aufruf verschiedener internationaler Organisationen und renommierter Wissenschaftler folgend, wies man 1972 mit dem Archipel von Los Roques den ersten Meeresnationalpark des Landes aus. Er sollte eine der biotisch und landschaftlich herausragendsten Inselformationen der östlichen Karibik schützen. Da die Behörden über keinerlei Erfahrungen in der Administration mariner Naturschutzgebiete verfügten, bemühte sich eine Kommission von Fachleuten verschiedener Fachrichtungen um die Erarbeitung von Richtlinien zum Management des Nationalparks. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt wurden Themen von großer Brisanz angesprochen und Vorschläge zur Konfliktbewältigung gemacht. Nur zum Teil wurden die Vorstellungen der über mehrere Jahre hinweg tagenden Kommissionsmitglieder umgesetzt. Bislang ungeklärte Problembereiche stellen der Verbleib der angestammten Archipelbewohner und die Besitzverhältnisse der touristisch genutzten Privatgebäude dar.

Auch in den fünf später gegründeten Nationalparks der Meeres- und Küstengebiete Venezuelas sind ungeklärte Bodenrechte und Besitzzersplitterung ein administratives Problem. Wurde von seiten der Nationalparkbehörde erfolgreich ein Kataster mit Wertschätzung der Anwesen erstellt – wie es das Gesetz vorschreibt – so fehlt es bei INPARQUES in den meisten Fällen am benötigten Geld zur Abfindung und Umsiedlung angestammter Bewohner.

Nationalparks sind Prestigeobjekte der Regierungen. Alle Entscheidungen über lenkende Eingriffe weiten sich daher schnell zu einem Politikum aus, das auf höchster Ebene diskutiert wird. Vielfach werden dadurch schnelle, unkomplizierte und humane Lösungen im Sinne der Betroffenen und des Naturschutzes unterbunden. Gleichzeitig ergibt sich durch das öffentliche Interesse aber auch ein gewisser Schutz: Mißstände der ‘nationalen Parks‘ werden in der Presse angeprangert und Entscheidungsträger zur Rechenschaft gezogen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde aufgrund der Zielsetzung kritisch die Situation der marinen und litoralen Nationalparks in Venezuela beleuchtet. Mit Hilfe einer Matrix wurde versucht, die zentralen Probleme der einzelnen Schutzgebiete herauszuarbeiten und durch den direkten Vergleich miteinander zu werten. Eine Interpretation der drei vergleichenden Tabellen (Tab. 21, 22, 23), die anhand von intensiven Feldbeobachtungen sowie Karten- und Luftbildinterpretationen erstellt wurden, kann lediglich zu relativen Aussagen gelangen, die die Situation in Venezuela berücksichtigen. Hier könnte ein interessanter Anknüpfungspunkt für weitergehende Studien gegeben sein, die darin lägen, differenziertere Wertungskriterien zu erarbeiten. Eine derartige Matrix, die auf standardisierten und objektiv nachvollziehbaren Kriterien aufbaut, könnte zu einem wichtigen Hilfsmittel weiterer Forschungen werden, da sie einen weltweiten Vergleich von Schutzgebieten hinsichtlich ihrer natürlichen Ausstattung, Besiedlung, wirtschaftlicher Nutzung, Infrastruktureinrichtungen und den Konfliktbereichen ermöglichte.

Trotz aller aufgezeigten Schwierigkeiten und Probleme im Management der venezolanischen Schutzgebiete sollte man es nicht versäumen, festzustellen, daß die Verantwortlichen des Nationalparkwesens zumeist mit großem Engagement bemüht sind, den international hochgesteckten Ansprüchen und Zielen einer naturerhaltenden Umweltpolitik nahe zu kommen. Deutlich tritt der Verdienst dieses Denkens zutage, wenn man die Situation der marinen und litoralen Nationalparks in Venezuela mit der anderer Länder der Erde vergleicht. Nur in sehr wenigen Staaten wäre beispielsweise eine erfolgreiche Abbruchaktion wie jene von Feriendomizilen in Morrocoy denkbar, von der eine finanzielle und politisch einflußreiche Bevölkerungsschicht betroffen war.

Die Ausweisung eines Nationalparks wird immer Härten für Einzelne mit sich bringen. Deshalb sollte man den berechtigten Ansprüchen Betroffener auch mit größter Umsicht begegnen – dennoch ist "im Sinne der Allgemeinheit" ein langfristiger Naturerhalt und der Schutz von biotischem oder geomorphologischem Potential vordringlich.

1992 wird die alle zehn Jahre stattfindende Weltkonferenz über Nationalparks in Venezuela abgehalten. Der Präsident der Republik dokumentierte mit dieser Einladung an Fachleute aus aller Welt seinen Willen, sich für den Naturschutz in seinem Land und seiner Region einzusetzen. Während der Konferenz werden die Nationalparks der venezolanischen Küsten- und Meeresregion einen herausragenden Stellenwert einnehmen. Anhand von ausgewählten Beispielen werden Konfliktfelder angesprochen und dort erprobte Lösungsversuche diskutiert werden. Bis zum Beginn der Konferenz bleibt der Nationalparkbehörde noch einige Zeit, sich der Bewältigung bislang ungelöster Probleme in den Schutzgebieten zu widmen. Noch ist viel zu tun – aber erste Schritte, wie die neu erlassenen Dekrete zur Nationalparkverwaltung und zum Abriß der Ferienhäuser von Mochima oder die Aktivitäten zur Erstellung von Managementplänen und Zonierungen in allen Schutzgebieten, künden bereits von großer Einsatzbereitschaft der Beauftragten und lassen hoffnungsvoll auf die kommenden Jahre des Nationalparkwesens in Venezuela blicken.